Mauricio Kagel
Streichquartett I/II
Dauer: -'
Widmung: für Hansjörg Pauli
Instrumentierungsdetails:
1. Violine
2. Violine
Viola
Violoncello
Kagel - Streichquartett I/II für Streichquartett
Werkeinführung
Die jeweils
zehnminütigen Sätze der Streichquartette bilden eine Einheit, gleich in welcher
Reihenfolge sie dargeboten werden. Es ist jedoch zu vermeiden, die Sätze
hintereinander zu spielen (… und ich hoffe, dass der Hörer im Saal einer
solchen Aufführungspraxis a posteriori zustimmt). Die Trennung kann beliebig
durch ein oder mehrere Stücke, ebenso durch eine Pause erfolgen. Das Werk
entstand 1965/67 im Auftrag des LaSalle-Quartetts und ruhte nach der Beendigung
mehrere Jahre sowohl in den Schubladen von Köln wie Cincinnati. Im Verlauf der
Zeit fand ich es amüsant zu beobachten, dass, je länger sich die Uraufführung
dieser tückischen Komposition hinzog, die Realisationen in meiner Vorstellung
interessanter wurden. Dies, glaube ich, nennt man auch Wunschdenken.
Respekt und
furcht vor „absoluter Musik“ haben mich eigentlich dazu geführt, die
Bedingungen des Genres Kammermusik häufig zu sabotieren, und zwar durch
Steigerung. Ähnlich ist es diesen Streichquartettsätzen ergangen: das
Selbstverständliche wird künstlich untertrieben, Anormales als wahrscheinlich
dargestellt. So kommen in jedem Satz eine Reihe von verschiedenen Materialien
zur Denaturierung des gewöhnlichen Instrumentalklanges vor, welche in diesem
musikalischen Zusammenhang lediglich eine konsequente Erweiterung aller auf
normalen Wege (mit Hilfe von Finger und Bogen) erzeugten
Klangfarben-Veränderungen bedeuten. Drahtspiralen und Klarsichtklebefilm,
Büroklammern und gekerbte Holzstangen, Stricknadeln, Xylophonschlägel und
Streichhölzer, Münzen, Papierstreifen, Metallstifte und dicke Lederhandschuhe
dienern hier schließlich zur Verwirklichung einer bereits vorgefertigten, weil
„präparierten“ Poetik. Sparsame Aktionen helfen außerdem, die unselbständige
Selbständigkeit der Mitwirkenden eher zu unterstreichen als das konventionelle
Nicht-Agieren eines solchen Ensembles in seiner Geschlossenheit es sonst
verschleiert. Bogenführung und vorwurfsvolle Blicke, Singsang und Fernklang,
ausdruckslose Gesichter und verunglückte Flageoletttöne, auf-der-Stelle-bleiben
und sich-doch-scheinbar-fortbewegen sind dann Elemente einer Ästhetik, die die
Darstellung von Musik transparent machen will.
Mauricio
Kagel.