Wolfgang Rihm
3. Doppelgesang
Kurz-Instrumentierung: 2 1 2 1 - 2 1 1 0 - Hf, Str(10 10 10 6 4)
Dauer: 32'
Solisten:
Klarinette, Viola
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
Oboe
1. Klarinette in A
2. Klarinette in A
Fagott
1. Horn in F
2. Horn in F
Trompete in C
Posaune
Harfe
Violine I(10)
Violine II(10)
Viola(10)
Violoncello(6)
Kontrabass(4)
Rihm - 3. Doppelgesang für Klarinette, Viola und Orchester
Übersetzung, Abdrucke und mehr
Wolfgang Rihm
Rihm: Dritter DoppelgesangInstrumentierung: für Klarinette, Viola und Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur
Musterseiten
Hörbeispiel
Werkeinführung
Aus einem Interview mit Laurie Shulman
1) Ihr "Erster Doppelgesang" ist für Bratsche und Violoncello, der "Zweite Doppelgesang" ist für Klarinette und Violoncello besetzt. Nach zwanzig Jahren kehren Sie zur Idee des Doppelgesanges zurück, dieses Mal für Klarinette und Bratsche. Gibt es etwas Besonderes um den Klang des Zusammenspiels dieser Instrumente, das Sie zum Doppelgesang angezogen hat?
Rihm: Schon zur Zeit des „Ersten“ und „Zweiten Doppelgesanges“ hatte ich den Plan, einen „Dritten“ für Klarinette und Bratsche folgen zu lassen. Die Zeit verging, andere Ideen traten in den Vordergrund. Was aber blieb, war die Vorstellung cantabler, arioser, gleichsam gesungener Konzertwerke. Diese Idee beherrscht mich bei fast allen meinen Werken für ein solistisches Blas- oder Streichinstrument und Orchester: die Soli gesanglich zu führen, fast ohne Figuration und „Füllwerk“; pure Zeichnung, gesungene Linie, eine Art instrumentaler Kantate. Bei den „Doppelgesängen“ ist das Dialogische in die Linie selbst verlagert: zwei Stimmen singen eine in sich dialogisierende Stimme. Dass beide Stimmen aus einer gemeinsamen Mitte heraus singen, mag meine Neigung zu Instrumenten der Mittellage noch gesteigert haben.
2) Hat der Klang von Mozarts Trio K. 498 eine besondere Bedeutung für Sie? Oder irgendein anderes Werk für Klarinette und Bratsche?
Rihm: Mozart ist mir immer ein Vorbild in seinem unerschöpflichen Formenreichtum, seiner spielerischen Dunkelheit. An ein spezielles Werk habe ich hier nicht gedacht.
3) Der "Dritte Doppelgesang" scheint in einer symmetrischen Bogenform angelegt zu sein. War das bei Ihnen Absicht? Zum Beispiel:
Der erste und der letzte Satz sind schnell
Erster Satz mit Posaune (Tacet für den Rest)
Letzter Satz mit Trompete (Tacet für den Rest)
Zweiter und vierter Satz sind beide Sonetto genannt, mit Harfe obbligato
In Zentrum steht ein Notturno mit dem Klang einer Bläserserenade
Rihm: Diese auffällig symmetrische Formanlage ist eigentlich nicht typisch für mich – genau das mag mich gereizt haben, meine Liebe zu asymmetrischen Formen hinter dieser scheinbar symmetrischen Formung zu verstecken.
4) Hat die Bezeichnung Sonetto und Notturno eine Bedeutung für Sie? Zum Beispiel, die Harfe in den beiden Sonetten - Orpheus? Dichtung und Musik?
Rihm: Die beiden „Sonetto“ überschriebenen Sätze beziehen sich auf zwei Petrarca - Vertonungen, die ich kurz vor dem „Dritten Doppelgesang“ schrieb. Sie „scheinen durch“ wie Objekte, die in der Tiefe eines Gewässers lagern und die wir bei entsprechendem Lichteinfall erahnen als Umrisse. Das zwischen den Sonetten stehende „Notturno“ ist für mich die intimste Zone des Stückes.
5) In der Verwendung der beiden Soloinstrumenten orte ich eine Art "Gespräch", ein rhythmisches Unisono und Stellen, wo Sie fast einen "Hoketus"-Effekt haben. War das Absicht?
Rihm: Wie gesagt, die Stimmführung der beiden Soli ist meist die einer in sich dialogisierenden Einzelstimme. Gelegentliche Hocetus-artige Momente zeigen vielleicht die aus zwei Individuen gebildete Einzelstimme in der dramatischten Form ihres inneren Dialogs: Trennung auf kleinstem Raum.
6) Der "Gesang" im Titel lässt auf einen vokalen Charakter schließen - dies bestimmen Sie ausdrücklich in Sonetto I (cantando), aber die melodischen Sprünge sind weit und die dynamischen Wechsel abrupt im ganzen Werk. Gibt es überhaupt einen Bezug zum Singen?
Rihm: Das ganze Werk ist eigentlich eine Gesangsszene. Das Orchester „begleitet“ nicht nur, es ist seinerseits substanzieller Teil des kantablen Prozesses. Das Gesangliche ist hier aber nicht ein arioses „An der Rampe stehen“, sondern ein nervlicher, gestaltreicher, letztlich psychologischer Vorgang von höchster Intimität – Daher die subjektive Diktion. Spiel der Nerven – Selbstvergessenheit der Linien.
7) Es gibt keine Cadenza bis auf eine kurze unbegleitete Stelle im Agitato am Anfang. Ist es weil das Werk so lang und schwer ist, dass fast alles, was Sie für die Soloinstrumente geschrieben haben, den Charakter einer Cadenza hat?
Rihm:„Cadenza“-artige Artikulation würde ich in diesem so wenig figurativen Kontext als fremden Rest aus der „Konzert-Welt“ empfinden. Aber Sie haben recht: von der technischen Schwierigkeit her gesehen, ist das ganze Werk eine „Cadenza“ – quasi Recitativo. Am schwierigsten ist es immer dort, wo es gar nicht vordergründig virtuos klingt. Vorhin erwähnten wir Mozart...
8) Gibt es noch etwas, was Sie dem Publikum mitteilen wollen?
Rihm: Ich denke, dass Musik, wie alle Kunst, nicht erklärbar ist. Aber man kann sie mehr und mehr kennen lernen und vielleicht mit eigenen Vorstellungen und Ideen beantworten. Das Hören, das Wahrnehmen, ist bereits der Beginn eines Dialogs. Jede Musik kann durch den Hörer zu einer Art doppelten Gesangs werden – das wäre der glücklichste Fall.