"Dynamia bedeutet im Griechischen „Potenzialität“. Das „Ich kann“, das keine unserer Vorstellungen – oder Handlungen – begleitet. Jenseits aller Fähigkeiten bedeutet dieses „Ich kann“ nichts – und doch markiert es die für jeden von uns vielleicht härteste und bitterste Erfahrung überhaupt: die Erfahrung der Potenz. Adyanmia hingegen bedeutet „Unpotenzialität“. Dieser Begriff wurde erstmals von Aristoteles definiert und bezieht sich auf die Fähigkeit, den Kreislauf des Handelns zur Legitimierung unserer Potenz zu leugnen, um die Anerkennung der Gesellschaft zu gewinnen. Dies sollte nicht mit Schwäche verwechselt werden. Es ist eher die Macht, die Macht zu leugnen! Die Macht, die Gesellschaft und ihre Anerkennung zu negieren. Und der Preis dafür ist, die Macht und Fähigkeit zu haben, sich selbst zu negieren! Der höchste Preis, den man zahlen kann!
Gemäß der oben genannten Idee besteht dieses Stück aus einer Reihe von Zyklen, die alle ihr Potenzial genau in dem Moment negieren, in dem sie sich entwickeln sollen, und sich als „Abschnitt“ zu uns selbst zeigen, so wie wir es annehmen. Die Besetzung der Musiker in diesem Stück ist auch wie folgt: Violine 1 & Cello: männlich – Violine 2 & Viola: weiblich. Da „Geschlecht“ eines meiner Hauptanliegen ist, habe ich darüber nachgedacht, wie ich in meinen Werken auf diesen Begriff reagieren kann, und dieses Stück ist eigentlich ein Versuch, dies zu tun. Ich habe in einem Land und einer Region gelebt, in der Geschlechterdiskriminierung systematisch durch Regierung, Tradition und Religion in der Gesellschaft verbreitet wird, und ich habe die mangelnde Gleichberechtigung persönlich mit Fleisch und Blut erfahren, daher bin ich mir voll und ganz bewusst, wie Geschlechterdiskriminierung die gesamte Gesellschaft in einen lebenden Albtraum hätte verwandeln können!
Die zuvor beschriebenen Zyklen reichen jedoch bis zu einem „musikalischen Drama“. Das Skript stammt aus Fernando Pessoas Drama „Der Seemann“ und der gesamte Abschnitt entspricht dem Gesamtthema des Stücks. In diesem Teil spielen die Musiker:innen einige Sätze aus Pessoas Drama mit den Ausdrücken, Betonungen, dem Rhythmus, der Dynamik und anderen musikalischen Elementen, die in der Partitur festgelegt sind. Und deshalb bezeichne ich diesen Abschnitt als musikalisches Drama. Es ist eine Metapher für die gesamte Idee des Stücks und meine Gemütsverfassung und stellt auch die Gründe dar, die man haben könnte, um sich selbst und folglich die ganze Welt zu negieren."
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