Erich J. Wolff
*19. April 1968
Werke von Erich J. Wolff
Biographie
Erich J. Wolff (1874-1913)
Der jüdischstämmige österreichische Komponist Erich J.(acques) Wolff wurde am 3. Dezember 1874 als Jakob Wolff in Wien geboren, ist also Zeitgenosse von Arnold Schönberg und gehört zur Generation von Ravel, Rachmaninoff und Skrjabin, aber auch zu der von Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Rainer Maria Rilke. Er hat seinen Vornamen Jakob, wahrscheinlich aus Erfahrung mit der in Wien nicht immer leichten Situation für Juden, auf Erich J. geändert. Seinen zweiten Vornamen Jacques (die französische Version von Jakob) hat er dann generell mit J. abgekürzt. Er starb bereits sehr früh am 20. März 1913 an einer Ohrenentzündung in New York bei einer Konzertreise in den USA.
Ausbildung
Er hat in Wien am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde studiert, Klavier beim Czerny-Schüler Anton Door und Komposition bei Robert Fuchs, dem wegen seiner klangschönen Orchesterserenaden sogenannten „Serenaden-Fuchs“, der bereits Gustav Mahler das Handwerk beigebracht hatte, aber auch Zemlinsky, Schreker, Sibelius und noch Erich Wolfgang Korngold und Robert Stolz unterrichten sollte.
Wirkung zu Lebzeiten
Erich J. Wolff war zu Beginn des 20. Jahrhunderts laut einer Aussage von Engelbert Humperdinck der vielleicht wichtigste Klavierbegleiter Österreichs.
Als Komponist war das Kunstlied mit über 150 Beiträgen im Zentrum seines Schaffens. Zudem schrieb er Klaviermusik für zwei und vier Hände, Kammermusik für Violine und Klavier, drei Melodramen, ein großes Violinkonzert und eine Ballettpantomime, die posthum in Prag uraufgeführt wurde. Laut Peter P. Pachl versuchte es sich auch an einer Oper, wobei es aber dafür keine eindeutigen Quellen gibt. Sicher ist: Er hat mit den besten deutschsprachigen Sängern seiner Zeit gearbeitet und die menschliche Stimme daher mehr als verinnerlicht.
Für immer vergessen?
Es ist künstlerisch nicht nachvollziehbar, dass dieser Komponist so gut wie vergessen ist. Es hat Zeiten gegeben, da war er im Ausland bekannter als Alexander von Zemlinsky und Arnold Schönberg, mit denen er auch befreundet war. Aber nach seinem frühen Tod in den USA geriet Wolff v. a. zunächst in Europa rasch in Vergessenheit. In den USA, wo sich bekannte Sänger wie die holländische Sopranistin Julia Culp und der damalige MET-Star Florence Easton für ihn noch einsetzten, blieben manche seine Lieder immerhin bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Repertoire, bis sie auch dort nach und nach in der Versenkung verschwanden.
Gründe dafür sind also sicher nicht in der Qualität seiner Musik zu suchen, die ja zu Lebzeiten fast vollständig verlegt war, sondern einerseits durch kurz nach seinem Tod einbrechenden 1. Weltkrieg, anderseits fehlenden Nachkommen oder Anwälten seines Schaffens, die sich für sein Werk hätten einsetzen müssen. Die meiste Musik von ihm ist heute nicht mehr verlegt und kann somit auch beim besten Willen nicht mehr aufgeführt werden.
Den absoluten Todesstoß für das Vergessen Erich J. Wolffs haben dann noch die Nazis ihm versetzt: Musik von jüdischen Komponisten konnte 1933 bis 45 in Deutschland und von 1938 bis 45 dann auch nicht mehr in Österreich nicht aufgeführt werden. Pech und Unglück haben seinen Namen daher beinahe vollständig ausgelöscht.
Das soll sich durch den Autor dieser Zeilen ab April 2024 ändern, ab da wird sein komplettes Liedschaffen, seine Melodramen und die Klaviermusik nach und nach wieder zum einen auf CD [Naxos] und als Noten [Scodo/UE] veröffentlicht werden.
Persönliches Nachwort
Der Autor dieses Zeilen ist Pianist und arbeitet seit 2022 an der Gesamtaufnahme aller Lieder mit acht verschiedenen renommierten SängerInnen auf 7 CDs und wird jene auch zusammen mit seiner Klavier- und Kammermusik auch wieder im Notendruck veröffentlichen. Durch die Arbeit seit zwei Jahren mit diesem Repertoire konnte ich für mich den wahrscheinlich vollkommensten Liedkomponisten des frühen 20. Jahrhunderts kennenlernen. Dieser Kosmos ist für mich und alle beteiligten SängerInnen eine absolute Offenbarung. Kein anderes Liedschaffen von deutschsprachigen Komponisten zwischen 1902 (als seine op. 1 erschienen) und 1913 sind insgesamt so gelungen und dankbar als die von Erich J. Wolff. Auch nicht die von H. Pfitzner oder Richard Strauss. Sie bilden vielleicht die letzte Blüte des spätromantischen Liedrepertoires wider.
Als langjähiger Liedpianist kenne ich das gesamte spätromantische Repertoire sehr gut und kann es mit Gewissheit sagen: Was für ein Geschenk diese Musik wieder ins Bewusstsein zurückzubringen und was für eine Ehre das allen Interessierten bald wieder verfügbar machen zu können.
Klaus Simon – Herausgeber
Über die Musik
Stilistisches
Zwar wurden Wolffs Werke zeitlebens alle verlegt, aber er schrieb ansonsten keine erfolgreichen großen Werke wie z. B. Sinfonien, welche seinen Ruhm einem größeren Publikum nahegebracht hätten. Auch seine reizvollen Klavierwerke verdienen wieder ins Repertoire zurückzukehren.
In seinen Liedern (aber auch seiner Klavier – und Kammermusik) konnte er einen großen Erfahrungsschatz als Liedbegleiter an Vorbildern nutzen, um daraus seine eigene Ästhetik bzw. einen eigenen Stil zu generieren. Bei den zahlreichen Wunderhornliedern Wolffs denkt man natürlich unmittelbar an Gustav Mahlers bekannte Vertonungen. Auch Wolff traf ähnlich wunderbar den Volkston und vertonte auch gerne Dialekttexte. Hugo Wolfs harmonische Raffinessen und die anspruchsvolle Klavierbehandlung begegnet man ebenso wie der Hochromantik eines Robert Schumann. Erich J. Wolff nutzt gelegentlich auch den ganzen Fundus der spätromantischen Harmonik, ohne aber seinem Zeitgenossen Arnold Schönberg in die Atonalität zu folgen. Wie gut er Richard Wagners Musik kannte, ist bei einigen v. a. harmonisch gewagten Liedern zu hören. Ohne die gute Kenntnis von Wagners Tristan und Isolde wären manche harmonischen Kühnheiten undenkbar.
Trotz dieser Einflüsse, die v. a. bei ganz vielen Liedern mal mehr oder weniger zum Tragen kommen, hat er dennoch einen eigenen Stil herausgebildet. Er schafft es, für jeden seiner vertonten Texte (von großen und bekannten Dichtern wie Michelangelo, Goethe, Hölderlin, Storm, Hafis-Daumer, Eichendorff, Keller bis hin zu Zeitgenossen wie Dehmel, Bierbaum, Liliencron, Baudelaire, Verlaine und vielen vergessenen Dichtern aus seiner Zeit) den richtigen Tonfall zu finden. Er hat einen natürlichen Instinkt, aus jedem Gedicht ein besonderes und einmaliges Lied zu machen. In seinen besten intimen Liedern entspinnt er tief berührende Melodien, auf die selbst Richard Strauss oder Erich Wolfgang Korngold hätten neidisch werden können. Zudem sind seine anspruchsvollen Klavierbegleitungen immer sehr pianistisch und dankbar geschrieben.
Erich J. Wolff
Nachgelassene Werke: 62 Lieder und drei Melodramen ohne Opuszahl
Neueinordnung nach Dichtern, Themata und anderen Charakteristiken
Im Nachlass Erich J.Wolffs wurden kurz nach seinem Tod 1913 seine 60 nachgelassenen Lieder ohne Opuszahl sowie seine drei Pierrot-Melodramen von Bote & Bock posthum veröffentlicht. Leider hat man in der Liederausgabe in drei Bänden zu 20 Liedern diese damals nicht sinnvoll gruppiert, sondern (vielleicht aus Zeitdruck?) sie einfach alphabetisch nach den Anfangsbuchstaben der Textvorlagen angeordnet. Bote & Bock hatte es gut gemeint, aber etwas Unsinnigeres und Unpraktischeres konnte man kaum tun, um diese thematisch und stilistisch höchst unterschiedlichen Lieder zu veröffentlichen. Auch wissen wir nicht, wann diese Lieder entstanden. Wir vermuten, dass sie im Zeitraum von 1910 bis Anfang 1913 entstanden sein könnten. Der Komponist hätte sie sicher noch selbst nach seiner verhängnisvollen USA-Reise in sinnvollen Zusammenstellungen veröffentlichen wollen. Sein Tod hat dieses Ansinnen vereitelt.
Das soll nun, 111 Jahre später endlich nachgeholt werden, damit man diese Lieder und die drei Melodramen in ihrem sinnvollen Zusammenhang viel besser einordnen und man sie auch natürlich ggf. zyklisch aufführen kann.
Ich habe dabei besten Gewissens verschiedene Kategorien angewandt, um etwas Ordnung zu schaffen. Die Reihenfolge dieser nun daraus resultierenden neuen Zyklen bzw. Liederfolgen sind als mögliche Vorschläge zu betrachten und können natürlich auch geändert werden, wobei sich die Reihenfolge der acht Michelangelolieder sehr aufdrängt, wenn man sich mit diesen vielleicht bedeutendsten und tiefschürfendsten Liedern Erich J. Wolffs beschäftigt.
Erich J. Wolffs Lieder und seine Werke mit Opuszahl enden mit den sechs Liedern op. 26 auf Texte von Jens Peter Jacobsen. Da anzunehmen ist, dass Wolff sein Opuszahlen weiter verwendet hätte, nehme ich mir die Freiheit seine Opuszahlen einfach fortzuführen. Ab op. 27 sind seine nachgelassenen Werke ab sofort als opera posthuma veröffentlicht.
Die beiden nachgelassenen und nun zum erstenmal veröffentlichten Lieder „Mein Meister“ NL 61 [Band 2] (NL steht für Nachgelassene Lieder) und „Was Du mir gabst“ NL 62 [Band 5], die Wolff in den USA wohl kurz vor seinem Tod schrieb, wurden aus praktischen Gründen hier involviert.
Denzlingen, April 2024
Klaus Simon – Herausgeber
Erich J. Wolff
opera posthuma
neu geordnet und zusammengestellt von Klaus Simon (2022)
Anmerkung: Vermutlich wurden die Nachgelassenen Lieder (NL) zw. 1910 und 1913 geschrieben, die beiden letzten Lieder aus op. 33 wurden nachweislich 1913 komponiert und waren bisher nur als Manuskript überliefert.
Drei Melodramen nach Pierrot op. 27 (unbekannter Textdichter) 1910–13?
1. Serenade
2. Intermezzo
3. Finale
Elf Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ op. 28 1910–13?
1. Ach hartes Herz, laß dich doch eins erweichen c-moll NL 3
2. Der süße Schlaf, der sonst stillt alles wohl Des-Dur NL 14
(2a. als Duett für Sopran und Mezzosopran arrangiert von Klaus Simon 2022) NL 14a
3. Ich bin gen Baden gezogen fis-moll NL 26
4. Die widerspenstige Braut f-moll NL 29
5. Ich wollt’, daß der verhindert mich an meinem Glück F-Dur NL 31
6. Verspätung es-moll NL 40
7. Nach meiner Lieb’ viel 100 Knaben trachten G-Dur NL 41
8. Recht wie ein Leichnam wandre ich umher d-moll NL 44
9. Soll ich denn sterben? d-moll NL 49
10. Wenn ich den ganzen Tag geführet hab meine Klag e-moll NL 55
11. Wer sehen will zween lebendige Brunnen f-moll NL 56
Zehn Lieder im Volkston bzw. nach Volksdichtungen op. 29 1910–13?
a) Weltliche Lieder
1. Traum (Volkslied) d-moll NL 30
2. Maria und der Schiffer (Volkslied) a-moll NL 37
3. Der Trauernde (Dialekt-Volkslied) es-moll NL 39
4. Wer hat's Lieben erdacht (Dialekt-Nikolai/Almanach) F-Dur NL 60
b) Geistliche Lieder
5. Scheiden (Volkslied) E-Dur NL 2
6. Es ist ein Ros entsprungen (Volkslied) F-Dur NL 19
7. Marienruf (Volkslied) As-Dur NL 36
8. Marie auf dem Berge (Dialekt-Volkslied) f-moll NL 53
9. Es ist ein Schnitter (Volkslied) d-moll NL 20
10. Schönster Herr Jesu! (Volkslied?) D-Dur NL 45
14 Lieder aus dem Hafis von Georg Friedrich Daumer op. 30 1910–13?
1. Ach wie süß, wie süß sie duftet! Fis-Dur NL 4
2. Bittres mir zu sagen, denkst du c-moll NL 9
3. Ein solcher ist mein Freund e-moll NL 17
4. Entzücket dich ein Wunderhauch? Ges-Dur NL 18
5. Es werde Licht d-moll NL 21
6. Horch, hörst Du nicht vom Himmel her? d-moll NL 25
7. Meine Lebenszeit verstreicht es-moll NL 38
8. O hättest Du! D-Dur NL 42
9. O wie süß ein Duft von oben f-moll NL 43
10. Schön wie Thirza bist Du h-moll NL 47
11. Stark wie der Tod ist die Liebe b-moll NL 50
12. Viel bin ich umhergewandert d-moll NL 54
13. Wie Melodie aus reiner Sphäre hör’ ich Es-Dur NL 57
14. Wo ist der Ort, an dem du weilst? fis-moll NL 59
Acht Lieder nach Gedichten von Michelangelo op. 31 (deutsche Textfassung: Heinrich Nelson) 1912
1. Kleinodien, Zierat, Perlen und Korallen F-Dur NL 17
2. Gemahnt dein Name an deine Züge f-moll NL 22 21
3. An dieser Stätte war’s d-moll NL 6 18
4. Bring’ ich der Schönheit die Seele nah D-Dur NL 11 19
5. In schwerer Schuld nur d-moll NL 33 22
6. Da deiner Schönheit Glanz mich hat besiegt Des-Dur NL 12 20
7. Täuscht euch, ihr Augen, nicht c-moll NL 51 23
8. Wie soll den Mut ich finden? es-moll/Es-Dur NL 58 24
Acht Lieder nach Gedichten von Emil Faktor op. 32 1910–13?
1. Der tote Lenz D-Dur NL 13
2. Märchen G-Dur NL 23
3. Frühlingskinder A-Dur NL 24
4. Der Wanderer es-moll NL 28
5. Wüßt’ ich nur F-Dur NL 32
6. Entsagung d-moll NL 34
7. Dir d-moll NL 46
8. Bekenntnis d-moll NL 15
op. 33 Elf Lieder nach Texten verschiedener Dichter 1910–13?
1. Friede (Karl Maria [Wiligut]) F-Dur NL 1
2. Alles still! (Theodor Fontane) f-moll NL 5
3. Die schwarze Laute (Otto Julius Bierbaum) a-moll NL 7
4. Der Tod (Charles Baudelaire, deutsche Textfassung von E. L. Schellenberg) d-moll NL 52
5. Erster Schnee (Christian Morgenstern) D-Dur NL 8
6. Vöglein Schwermut (Christian Morgenstern) g-moll NL 16
7. Venedig (Kurt Kamlah) cis-moll NL 48
8. Das kranke Kind (Kurt Kamlah) f-moll NL 27
9. Im Entschlafen (Kurt Kamlah) Ges-Dur NL 10
10. Mein Meister (Frida Sarsen-Bucky) C-Dur NL 61
11. Was gabst du mir? (Frida Sarsen-Bucky) D-Dur NL 62
op. 34a Zwischenspiel aus Zlaterog 1906
Klavierfassung