Egon Wellesz
Das Wunder der Diana
Kurz-Instrumentierung: 4 4 4 4 - 4 3 3 1 - Pk, Schl, Hf(2), Cel, Str
Dauer: -'
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte (+Picc)
4. Flöte (+Picc)
1. Oboe
2. Oboe
3. Oboe (+Eh)
4. Oboe (+Eh)
1. Klarinette in A, B
2. Klarinette in A, B
3. Klarinette in A (+Kl in D)
4. Klarinette in A (+Bkl)
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott
Kontrafagott
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in C
2. Trompete in C
3. Trompete in C
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Basstuba
1. Harfe
2. Harfe
Celesta
Pauken
Schlagzeug (Große Trommel, Kleine Trommel, Tamburin, Becken, Triangel, Tam-Tam)
Violine I
Violine II
Viola
Violoncello
Kontrabass
Wellesz - Das Wunder der Diana
Werkeinführung
I. Szene:
"Das Volk zieht wie von der Ernte kommend im Hintergrund vorbei. 3 Jünglinge mit Flöten, 3 Mädchen mit Cymbeln führen den Zug. Aus den Vorüberziehenden lösen sich Jüngling und Mädchen, die mit flachen Schalen voll Trauben und Früchten zum Opferstein hinschreiten. Sie halten still vor dem Opferstein in der Mitte der Szene und bezeugen der geweihten Stätte ihre Ehrfurcht.
II. Szene:
Nun hebt ein feierlicher Reigen an, dessen symbolischer Sinn die Darbringung von Opfergaben ist. Sie sammeln sich um den Altar und vollziehen das Opfer.
Nur ein Paar, der Jüngling und das Mädchen, achten nicht des Vorganges und sind in ihrem eigenen Schicksal befangen. Der Jüngling sucht sich dem Mädchen zu nähern; seine Gefühle drücken Leidenschaft und Liebe aus. Das Mädchen weicht vor seinem drängenden Begehren und neckt ihn mit Bewegungen, die etwas Biegsames und Lockendes haben. Unterdessen beginnen Jünglinge und Mädchen einen Tanz. Ihre Bewegungen drücken den Wunsch aus, zu einfacher Schönheit zu gelangen. Da ertönen geheimnisvolle, ferne, mahnende Hornstöße.
Nur einige der Tanzenden hören sie und hemmen einen Augenblick lang ihre Bewegungen. Jetzt tönen die Rufe wieder, näher, drohender. Der Tanz hört auf. Einige mahnen, den Hain zu verlassen, um nicht den Zorn der Götter zu erregen. Denn die Stunde naht, wo Sterbliche den geweihten Ort meiden müssen. Trotzdem wollen einige Verwegene den Tanz wieder aufnehmen. Da ertönen die Signale wieder, ganz nahe, schreckenverbreitend. Alle flüchten angsterfüllt. Dunkelheit bricht herein.
III. Szene:
Nur das Liebespaar ist zurückgeblieben. Sie haben sich vor den anderen verborgen. Nun nahen sie wieder in trotzigem Liebesspiel. Sie merken nicht, was um sie vorgeht. Ihnen ist die Heiligkeit des Ortes nicht gegenwärtig. Einige Mutige kommen zurück und suchen die beiden wegzuführen. Sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht. Halb an der Schwelle fährt aber das Mädchen jäh auf und reißt sich los. Sie entflieht in die Tiefen des Hains. Der Jüngling folgt ihr nach.
IV. Szene:
Ein atemloses Suchen des Jünglings nach dem Mädchen beginnt. Mit langen Sprüngen durchmisst er die Szene, bleibt stehen, lauscht, blickt umher. Da schlüpft das Mädchen hervor und enteilt, von ihm unbemerkt, dem Hain. Erneutes Suchen. Die Bewegung des Jünglings, der in immer größere Leidenschaft geraten ist, nehmen etwas Wildes, Verzweifeltes an.
V. Szene:
Plötzlich flammt ein silberner Schein auf. Diana erscheint in mondhellem Glänze, vor ihr fließen, gleich zauberhaften Strahlen, die Mondwesen. Langsam nähert sie sich dem Opferstein, vor dem sie stehen bleibt. Der Jüngling breitet die Hände weit aus. Er ist von dem überirdischen Glanz geblendet. Etwas Ungeahntes ist in sein Leben getreten. Das Mondwunder beginnt. Mit weißen Schleiern umgibt das Mondgefolge den Jüngling, der in einen Zauberkreis eingeschlossen erscheint. Diana leitet mit beherrschenden Bewegungen den Tanz. Jägerinnen umkreisen mit großen, aber schwebenden Sprüngen den Opferstein und zielen mit den Pfeilen nach dem Jüngling. Dieser hebt sehnsüchtig die Hände zu Diana empor.
VI. Szene:
Ein neues Wunder vollzieht sich. Angelockt von dem hellen Schein kommen Nymphen und Faune, erst zögernd, dann zutraulich. Sie beginnen einen Tanz, der sich zu immer größerer Wildheit und Raserei steigert. Der Tanz der Nymphen und Faune ist eine satyrhafte Vergröberung des Spieles zwischen dem Jüngling und dem Mädchen, fast mit den gleichen, aber übertriebenen Gebärden. Es erscheint ihm wie das verzerrte Bild der Welt, der er früher angehört hat. Er sieht alles und sieht doch nur die lichtumflossene Diana, zu der er anbetend die Hände hebt. In seine Gebärden legt er die Bereitschaft, das irdische Dasein gegen ein höheres zu vertauschen. Diana versteht diese Gebärde. Sie zielt mit dem Bogen nach ihm. Er zuckt wie getroffen zusammen. Dann aber nehmen seine Züge den Ausdruck einer wunderbaren Entrücktheit an. Die Verwandlung erfasst den ganzen Körper. Er scheint nicht mehr der Erde anzugehören. Mit der Bewegung des Jünglings zu Diana hat der Fauntanz plötzlich aufgehört. Faune und Nymphen ziehen sich wieder zurück.
VII. Szene:
Da beginnen geisterhaft Gestalten hereinzuschweben. Sie machen große, bedeutsame Gebärden, die etwas Überirdisches aufzuweisen scheinen. Sie schweben auf den Jüngling zu. Der Jüngling nähert sich ihnen, das bleiche Licht fällt auf ihn, und er sucht die Bewegungen der Oberirdischen nachzuahmen, die ihn in einen weißen Schleier hüllen, so dass er regungslos wird. Wieder ertönen die Hornstöße. Die Bühne verfinstert sich einen Augenblick lang. Wenn es wieder hell wird, steht Diana mit ihrem Gefolge rechts im Hintergrund. Vor dem Opferstein steht der Jüngling.
VIII. Szene:
Von Angst um den Jüngling getrieben, betritt das Mädchen den Hain. Sie will den Jüngling suchen, um ihm ihre wahren Gefühle zu bekennen. Sie kommt ganz nach vorne, ohne die Zauberwelt, Diana und ihr Gefolge, zu sehen. Plötzlich erblickt sie den Jüngling. Entsetzen erfasst sie. Sie sinkt zu Boden. Da beginnt wieder stärkeres Licht zu leuchten, und der Jüngling macht eine Gebärde, die das Mädchen zu rufen scheint. Sie breitet ihm die Arme entgegen und erfahrt an sich die gleiche Verwandlung wie der Jüngling. Sie betritt den magischen Kreis des Lichts und bewegt sich auf den Jüngling zu. Sie fasst ein Ende des Schleiers auf, der den Jüngling umgibt, und hüllt sich in diesen ein, so dass beide, zu einer Gruppe vereint, erstarren. Diana und ihr Gefolge ziehen sich unterdessen immer mehr, entschwindenden Mondstrahlen gleich, zurück. Als Letzte steht Diana da. Von ihr geht ein starker Schein aus, der den Jüngling und das Mädchen beleuchtet. Wieder ertönen die geheimnisvollen Rufe. Es donnert. Diana ist entschwunden.
IX. Szene:
Der Tag bricht an. Schritte nahen. Es sind Männer und Frauen, die wieder zur Erntearbeit gehen. Zuerst kommen einzelne, suchen die Gruppe, rufen zurück. Dann kommen immer mehr, neugierig und ängstlich zugleich. Ein zarter Morgenglanz lässt die Gruppe zauberhaft erstrahlen. Schrecken, dann ehrfurchtsvolles Staunen erfasst alle. Das Licht ändert sich, es wird zart und rosig. Die Mädchen nehmen Blumen und umkränzen die Gruppe der Liebenden. In anmutigem Reigen umtanzen sie den Stein. Dann ordnen sich alle zu einem Hymnus an das Licht. Die Paare umschlingen sich und schreiten an der Gruppe vorbei. Die Anbetung steigert sich bis zur Ekstase...."
Egon Wellesz