Wolfgang Rihm
Versuchung
Kurz-Instrumentierung: 1 2 1 2 - 1 1 1 1 - Schl(2), Hf, Klav, Vl(2), Va(3), Vc(3), Kb(2)
Dauer: 25'
Solisten:
Violoncello
Instrumentierungsdetails:
Flöte
Oboe
Englischhorn
Klarinette in A (+Bkl(B))
Fagott
Kontrafagott
Horn in F
Trompete in C
Posaune
Tuba
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
Harfe
Klavier
1. Violine
2. Violine
1. Viola
2. Viola
3. Viola
1. Violoncello
2. Violoncello
3. Violoncello
1. Kontrabass
2. Kontrabass
Rihm - Versuchung für Violoncello und Orchester
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Wolfgang Rihm
Rihm: VersuchungInstrumentierung: für Violoncello und Orchester
Ausgabeart: Noten
Wolfgang Rihm
Rihm: VersuchungInstrumentierung: für Violoncello und Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Wolfgang Rihm wollte als Kind zuerst Maler werden, dann
Schriftsteller und zuletzt Komponist. Der Weg von der Bildenden Kunst zu seinem
gewissermaßen objekthaften, körperlich-gestischen Komponieren ist demnach noch
kürzer als bislang vermutet. Ganze Werkgruppen veranschaulichen seine enge
Beziehung zur Bildenden Kunst, zahlreiche Künstlerfreundschaften zeugen vom
ständigen Energiefluss Wolfgang Rihms von und zur Malerei. Sein Komponieren ist
ein skulpturales Arbeiten am unendlichen Klang, den er in sich wahrnimmt. „Ich
habe die Vorstellung eines großen Musikblocks, der in mir ist. Jede Komposition
ist zugleich ein Teil von ihm als auch eine in ihm gemeißelte Physiognomie. […]
Mit mir geschieht etwas Ähnliches wie mit meinem Musikblock. Ein Zeitfaden
trennt einen bemessenen Teil ab und schafft so erst meine Physiognomie.“
Von
Gefährdung und zwanghaftem Handeln erzählen nicht nur die Sujets in Wolfgang
Rihms Kompositionen, sondern sie kennzeichnen sein Musik-Schreiben selbst.
Musik zu imaginieren, bzw. aus dem unendlich fließenden Musikstrom mit jedem
Werk einen neuen Ausschnitt, eine neue Form zu präsentieren, kommt in seiner
musikalischen Anschauung obsessivem Handeln gleich. Gefährdet ist der Klang in
seiner von Verflüchtigung bedrohten Gegenwärtigkeit ebenso wie der Körper des
Komponisten, dessen Hüllkurve im Raum Verzerrungen ausgesetzt ist, dessen
„Schnitt ins eigene Fleisch“ (Rihm) ihn innere Räume und Zustände sehen,
betreten und wahrnehmen lässt, die fern jedes konventionellen
Schönheitsbegriffs liegen und sich eher als unterschiedliche Grade von
Brüchigkeit beschreiben lassen.
Um
Brüchigkeit der Linie und Gefährdung der Perspektive geht es Wolfgang Rihm in
seiner „Hommage à Max Beckmann“ Versuchung für Violoncello und
Orchester, mit dem er sich auf Max Beckmanns Triptychon Versuchung (des Heiligen Antonius) aus den 1930er Jahren bezieht.
Zur gleichen Zeit entstand eine weitere „Beckmann“-Komposition, Der Maler träumt für Bariton und
Orchester, in dem Beckmanns Text Über
meine Malerei als Quelle dient.
Tatsächliche
schafft Rihm es, in der Beziehung von Soloinstrument und Orchester genau jedes
klangfarblich prismatische Aufbersten der einzelnen Linie zu formulieren, das
über den Taumel an Boden verliert, um in Anbetracht eben jener Versuchung /
Gefährdung des Antonius den freien tonalen Fall in die Abgründe der meist grüblerischen
Orchesterstimmen zu überleben. Das Orchester bildet gewissermaßen dasjenige
Farb- und Gestenspektrum, das als Rückspiegelung der Solostimme wieder an den
Anfang der Inspiration führt, also den Musikstrahl durch das Prisma der
Komposition zurück auf den Impuls verdichtet. Chronologie und Erinnerung
treffen aufeinander, um den Verlust völliger Unschuld zu betrauern, der
Gefährdung / Versuchung jedoch standzuhalten.
Achim
Heidenreich
Aus dem
Programmheft von MaerzMusik 2012