Wolfgang Rihm
Gedrängte Form
Kurz-Instrumentierung: 1 1 1 0 - 0 1 1 0 - Schl(2), Hf, Klav, Git, Vl(1), Va(1), Vc(1), Kb(1)
Dauer: 6'
Widmung: George Benjamin gewidmet
Instrumentierungsdetails:
Flöte
Englischhorn
Bassklarinette in B
Trompete in C
Posaune
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
Harfe
Klavier
Gitarre
Violine
Viola
Violoncello
Kontrabass
Rihm - Gedrängte Form für Ensemble
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Wolfgang Rihm
Rihm: Gedrängte FormInstrumentierung: für Ensemble
Ausgabeart: Studienpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Reinhold Brinkmann, einer der bedeutendsten Musikwissenschaftler der Gegenwart (derzeit Professor an der Harvard Universität), fand einmal die ungemein anschauliche Bezeichnung 'Gepreßte Symphonie' für Schönbergs Kammersymphonie op. 9. Losgelöst von dem Gegenstand, den das Sprachbild bezeichnet, führt dieser anregend anschauliche Begriff sein anzettelndes Dasein in meinem phantasierenden Komponierhirnkasten. Immer wieder stellt es sich für mich als Ideal heraus – und damit kommt selbstredend auch Schönberg stets wieder ins Spiel, Kompositionen als Dichtepakete zu entwerfen, als Batterien, knapp und energetisch geladen. So auch hier wieder. Aber ich wäre nicht ich, würde ich nicht bereits gleichzeitig am Strich durch die Rechnung arbeiten. Denn manche Kompositionen führen – als seien sie Komponisten – eigenartige Doppelleben, ganzen Trauben von Lebenssphären gehören sie an und sind sich da und dort ihr Gegenteil.
Was also hier zunächst als kleines Muskelpaket verschnürt auf Sendung wartet, dürfte dereinst einem großen Strom und Strudel überantwortet sein, vielleicht dort kraftlosem Untergang geweiht, wer weiß. Denn das Stück gehört zum Formenkreis von Ensemble-Kompositionen, die ich seit einigen Jahren unter dem entschuldigenden Titel Jagden und Formen rastlos hervortreibe. Es gehören dazu die Stücke Pol, Nucleus, Gejagte Form, Verborgene Formen - nun also eine gedrängte Form. Irgendwann einmal wird daraus ein komponiertes Konzert, aus dem es kein Entkommen gibt. Nein nein, keine Sorge, es wird ein End’ haben, aber kein Kommen und Geh’n. Keine Auftritte, Verbeugerlein, Abklatscherles und das Kasperltum, was noch jede noch so weit vorgetriebene Avantgardizität ins dramaturgische Konzept von Hausmusikabenden zurückzwang. Aber das ist ja nicht die Hauptsache. Warum rede ich davon? Nun, es liegt grad auf der Zunge. Davon muß es weg. Also, ich fasse zusammen: dereinst Jagden und Formen entlassen hier eine vorweg bewunderbare Gedrängte Form gleich einer skulpturalen Vorform einer Gestalt, die schon noch ihren Platz an einem Höllentore zu finden sich gewiß sein darf. Alles klar? Gut. Und nun noch etwas: Diese Komposition ist George Benjamin gewidmet, dessen kraftvoll gezeichnete subtile Klangwelt ich sehr bewundere.
Wolfgang Rihm
Berlin, 6. November 1998