Zum 75. Todestag von Yella Hertzka: Vielseitige Netzwerkerin, Musikverlegerin und Kämpferin für Gleichberechtigung, Frieden und Freiheit
Yella Hetzka
Zum 75. Todestag von Yella Hertzka: Vielseitige Netzwerkerin, Musikverlegerin und Kämpferin für Gleichberechtigung, Frieden und Freiheit
Am 13. November 2023 jährt sich der Todestag Yella Hertzkas zum 75. Mal und obwohl sie eine wichtige Rolle im Bereich des internationalen Frauenrechts spielte und als Direktorin und öffentliche Verwalterin des Musikverlags Universal Edition einen wesentlichen Beitrag zur österreichischen Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts geleistet hat, ist nur wenig bekannt über diese Vorzeigenetzwerkerin.
Geboren am 4. Februar 1873 als Tochter von Ferdinand und Agnes Fuchs wuchs Yella als jüngstes von sieben Kindern in einer großbürgerlichen jüdischen Familie auf. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Gärtnerin an der Höheren Gartenbauschule in Bad Godesberg, 1897 heiratete sie Emil Hertzka, der ab 1909 Direktor der Wiener Universal Edition wurde.
Yella Hertzka (1873-1948)
Engagement in der Frauen- und Friedensbewegung
Yella Hertzka zählt bis heute zu den wichtigsten Protagonist:innen der internationalen Frauen- und Friedensbewegung, denn sie engagierte sich ab 1900 in der bürgerlichen Frauenbewegung und bezeichnete sich selbst als „Frauenrechtlerin“. Sie nahm nicht nur an zahlreichen internationalen Frauenbewegungskongressen teil und schloss sich Frauenvereinen im In- und Ausland an, sondern gründete gemeinsam mit Mitstreiterinnen den Neuen Frauenklub und beteiligte sich intensiv in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF, Women’s international League for Peace and Freedom – WILPF). Als Mitbegründerin der österreichischen Sektion dieser Liga holte sie den internationalen Kongress der WILPF im Jahr 1921 nach Wien, den sie nicht nur mitorganisierte, sondern auch als Vortragende und Leiterin von Diskussionen mitgestaltete.
Gründerin einer Gartenbauschule für Mädchen in Wien-Grinzing
Um jungen Frauen den Weg in ein selbstständiges Leben zu ermöglichen, gründete Yella Hertzka im Jahr 1912 eine höhere zweijährige Gartenbauschule für Mädchen im 19. Wiener Gemeindebezirk. So sollten die Schülerinnen nicht nur zu guten Gärtnerinnen herangezogen, sondern auch für Leitungsfunktionen vorbereitet werden. Yella Hertzka fungierte dabei nicht nur als Direktorin, sondern unterrichtete neben Blumentreiberei, Boden- und Gesetzeskunde auch Betriebswirtschaftslehre.
Zeitgleich entstand unter ihrer Ägide weiters die Künstlerkolonie im Döblinger Kaasgraben, die neben einem Internat für die Gartenbauschule auch repräsentative und von zahlreichen Künstler:innen bewohnte Villen beheimatete. Im angeschlossenen Park veranstaltete Yella Hertzka große Feste, zu denen die wichtigsten Persönlichkeiten des internationalen Musiklebens wie beispielsweise Arnold Schönberg, Béla Bartók, Gustav Mahler oder Ernst Krenek teilnahmen und die zum internationalen Ruf der Künstlerkolonie beitrugen.
Yella Hertzkas pazifistische Haltung führte nach dem Ersten Weltkrieg allmählich zu einer Entfremdung von den langjährigen Weggefährtinnen des Bundes Österreichischer Frauenvereine, stand sie im Vergleich mit vielen vormals Gleichgesinnten dem Anschluss Österreichs an Deutschland doch sehr kritisch gegenüber.
Verwalterin der Universal Edition
Yella Hertzka und ihr Gatte, der Direktor der Wiener Universal Edition Emil Hertzka, führten 35 Jahre lang eine gleichberechtigte Ehe, die von gegenseitiger Unterstützung – in persönlichen wie in beruflichen Belangen – geprägt war. Durch Yella Hertzkas rege Reisetätigkeit für die Frauenliga entstanden zahlreiche Synergieeffekte, von denen auch die Komponist:innen profitierten. So wurde etwa bei der Eröffnung des Kongresses der Internationalen Frauenliga in Wien 1921 ein Werk von Johanna Müller-Hermann aufgeführt, deren Streichquartett op. 6 bereits Jahre vorher in der UE verlegt worden war. Yella Hertzka erlangte in mehr als drei Jahrzehnten eingehende Kenntnisse des Musikverlagswesens und war mit vielen der UE-Komponist:innen, die im Hause Hertzka ein- und ausgegangen waren, freundschaftlich verbunden. Korrespondenzen mit Arnold Schönberg oder Alban Berg zeigen, wie sehr diese sie schätzten.
Als Emil Hertzka seine Frau Yella testamentarisch als Universalerbin einsetzte und ihr somit nach seinem Tod maßgeblichen Einfluss auf den Musikverlag sicherte und sie in der Folge als Großaktionärin einen Sitz im Verwaltungsrat erhielt, verfügte sie bereits über die notwendige Expertise in der Leitung eines international tätigen Kulturbetriebs und wusste sich trotz der prekären politischen Situation durchzusetzen.
Mit dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland kam es allerdings zu radikalen Veränderungen in der UE. Ein kommissarischer Verwalter wurde eingesetzt und die vorwiegend jüdischen Aktionäre mussten ihre Anteile billigst verkaufen. Yella Hertzka floh ins Exil nach London. Ebenso verließ Alfred A. Kalmus, einer der geschäftsführenden Direktoren der Universal Edition und Neffe Yella Hertzkas, Wien und ließ sich Mitte der 1930er Jahre in London nieder, um dort eine Zweigstelle der Universal Edition zu gründen. So sollten einerseits neue Komponist:innen für den Verlag gewonnen und andererseits jene Werke forciert werden, deren Vertrieb durch die NS-Kulturpolitik zunehmend erschwert wurde. Auch hier zählte Yella Hertzka zur Führungsriege.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Yella Hertzka bis zur Klärung der Eigentumsverhältnisse zur öffentlichen Verwalterin anstelle von Alfred Schlee bestellt. Im Gegenzug ernannte sie Alfred Schlee zum Direktor der Universal Edition und bis zu ihrem Tod am 13.11.1948 lag die Leitung des Musikverlags in beider Hände.
Yella Hertzkas Einsatz für die Universal Edition half, die durch den Krieg und die nationalsozialistische Verfolgung ehemaliger Eigentümer:innen abgebrochenen Beziehungen wieder aufzurichten. Gleichzeitig erleichterte ihr Wiedereintritt ins Unternehmen auch Alfred Schlee die Wiederaufnahme von Kontakten zu vertriebenen Komponist:innen und Mitarbeiter:innen. Weiters stellte sie als öffentliche Verwalterin die wesentlichen Weichen dafür, dass 1951, drei Jahre nach ihrem Tod, das Rückstellungsverfahren an die Eigentümer:innen der UE durchgeführt werden konnte.