Anton Webern
*3. Dezember 1883
†15. September 1945
Werke von Anton Webern
Biographie
1883 – Anton Webern am 3. Dezember in Wien geboren.
1888 – Erster Klavierunterricht bei der Mutter.
1890 – Die Familie Webern zieht nach Graz.
1894 – Die Familie Webern zieht nach Klagenfurt, wo Anton Webern das humanistische Gymnasium besucht.
1895 – Webern erhält seinen ersten regulären Musikunterricht.
1899 – Erste nachweisbare eigene Komposition Weberns.
1902 – Abitur in Klagenfurt, Bayreuth-Reise, Universitätsstudium in Wien.
1904 – Schüler Arnold Schönbergs.
1906 – Promotion zum Dr. phil. mit einer musikwissenschaftlichen Arbeit; Tod der Mutter; Komposition des Klavierquintetts.
1908 – Ende des Studiums bei Schönberg; Aushilfskapellmeister am Kurtheater von Bad Ischl; Uraufführung der Passacaglia op. 1 in Wien unter Weberns Leitung.
1910 –Kapellmeister in Teplitz; anschließend Aushilfskapellmeister in Danzig; dort Aufführung der Passacaglia unter Webern.
1911 – Am 22. Februar heiratet Webern seine Kusine Wilhelmine Mörtl; Geburt der Tochter Amalia; danach einjähriger Berlin-Aufenthalt.
1912 – Kapellmeister in Stettin; Erstveröffentlichung von Kompositionen im 'Blauen Reiter' und der Zeitschrift 'Der Ruf'.
1913 – Wohnung in Wien; Skandal bei der Uraufführung der Orchesterstücke op. 6 in Wien; Geburt der Tochter Maria.
1915 – Der Sohn Peter wird geboren; Webern wird eingezogen als Einjährig-Freiwilliger.
1917 – Vom Militärdienst befreit; Kapellmeister am Deutschen Theater in Prag.
1918 – Wohnung in Mödling; Vortragsmeister im Verein für musikalische Privataufführungen.
1919 – Geburt der Tochter Christine; Tod des Vaters Carl von Webern.
1920 – Kurze Kapellmeistertätigkeit in Prag; Aufnahme ins Verlagsprogramm der Universal Edition.
1921 – Dirigent des Wiener Schubert-Bundes, Chormeister des Mödlinger Männergesangvereins.
1922 – Webern dirigiert seine Passacaglia auf dem Düsseldorfer Tonkünstlerfest.
Aufführung der Quartettstücke op. 5 auf dem Internationalen Kammermusikfest in Salzburg; Leiter der Arbeiter-Symphonie in Wien; Dirigent der 'Freien Typographia' in Wien.
1923 – Gastkonzert unter Weberns Leitung in Berlin; Chormeister des Wiener Arbeiter-Singvereins der Sozialdemokratischen Bildungsstelle; Schönberg eröffnet seinen Schülern die Zwölftonmethode.
1924 – Uraufführung der Bagatellen op. 9 und der Trakl-Lieder op. 14 in Donaueschingen; Großer Musikpreis der Stadt Wien.
1925 – Lehrer am Wiener Jüdischen Blindeninstitut.
1926 – Webern scheidet beim Mödlinger Männergesangverein aus; Bekanntschaft mit dem Ehepaar Jone-Humplik.
1927 – Dirigent des Österreichischen Rundfunks.
1928 – Komposition der Symphonie op. 21; Webern erkrankt an Magengeschwüren; Kompositionsauftrag der 'League of Composers'.
1929 – Konzerte in Frankfurt und London unter Weberns Mitwirkung.
1930 – Fachberater, Lektor und Zensor beim Wiener Rundfunk.
1931 – Konzerte in London; Musikpreis der Gemeinde Wien.
1932 – Konzerte in London und Barcelona; Übersiedlung nach Wien, von dort nach Maria-Enzersdorf.
1933 –Konzert in London; Feier zum 50. Geburtstag in Wien.
1934 – Dollfuß-Putsch; Verbot der Sozialdemokratischen Partei, Webern verlässt seine Ämter in der Kunststelle.
1935 – Konzert in London; Tod Alban Bergs.
1936 – Webern legt sein Dirigat beim IGNM-Fest in Barcelona nieder; Konzert in Winterthur mit Webern als Dirigent.
1938 – Kompositionsauftrag von Elizabeth Sprague Coolidge für ein Streichquartett; Uraufführung der Kantate Das Augenlicht in London.
1940 – Reise in die Schweiz.
1943 – Letzte Auslandsreise in die Schweiz; Webern wird 60 Jahre alt.
1945 – Peter Webern stirbt am 11. Februar; das Ehepaar Webern flieht nach Mittersill; Anton Webern wird am 15. September von einem amerikanischen Besatzungssoldaten erschossen.
Über die Musik
In seinem 1963 veröffentlichten Buch Penser la Musique Aujourd’hui fasste Pierre Boulez die einzigartige Bedeutung von Anton Weberns Musik für die Nachkriegsgeneration in wenigen kurzen und treffenden Sätzen zusammen. Boulez nannte ihn den „wichtigsten Orientierungspunkt“, der jungen Komponisten geholfen hat, ihre eigene Persönlichkeit zu finden.
Weberns Schaffen, mehr noch als Schönbergs oder Bergs, geschweige denn Strawinskys und Bartóks, erwies sich als einziger Bestandteil der Tradition, woran sich Komponisten nach 1945 anknüpfen konnten. Aber selbst Strawinsky, der sich ja einer völlig anderen Ästhetik verschrieb und mit Lob äußerst vorsichtig umging, zollte Webern höchsten Respekt:
Wir müssen nicht nur diesen großen Komponisten verehren, sondern auch einen wirklichen Helden. Zum völligen Misserfolg in seiner tauben Welt der Unwissenheit und Gleichgültigkeit verurteilt, blieb er unerschütterlich dabei, seine Diamanten zu schleifen, seine blitzenden Diamanten, von deren Minen er eine so vollkommene Kenntnis hatte.“
Weberns „Diamanten“, seine kurzen, auf das Wesentliche konzentrierte Stücke, schienen einen totalen Neubeginn zu signalisieren. Anders als Schönberg, dem Boulez vorwarf, in seinem Denken weiterhin der Tradition verpflichtet zu sein, sei es Webern gelungen, seine Bindungen zur Tradition radikal zu trennen.
Weberns Schüler Peter Stadlen wies jedoch immer wieder darauf hin, dass dieser seine Musik sehr wohl gefühlsbetont, „romantisch“ auffasste. Stadlen schrieb zum Beispiel: „Wenn er sang und schrie, seine Arme bewegte und mit den Füssen stampfte beim Versuch, das auszudrücken, was er die Bedeutung der Musik nannte, war ich erstaunt zu sehen, dass er diese wenigen, für sich stehenden Noten behandelte, als ob es Tonkaskaden wären.“
Weberns Musik hat also nichts mit Objektivität oder Sachlichkeit zu tun, er wollte sehr wohl tiefe Empfindungen ausdrücken. Für György Kurtág gilt sein Schaffen bis heute als die purste Musik. Da diese jedoch hinter dem „Eisernen Vorhang“ aus politisch-ideologischen Gründen unerreichbar war, nutzte der ungarische Komponist sein in Paris verbrachtes Jahr 1957/1958 dazu, etwa die Hälfte des Oeuvres von Webern zu kopieren. Somit kam er in den Besitz der Partituren, was ihn dazu befähigte, wichtige Schlüsse für seine eigene Arbeit zu ziehen.
Es ist ein tragisches Ereignis in der Musikgeschichte, dass Anton Webern wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs getötet wurde (ein amerikanischer Soldat erschoss ihn aus Versehen), kurz bevor er zur Kultfigur wurde. Er hätte endlich das Gefühl gehabt, verstanden und geehrt zu sein, ein Feedback, das ihm zu Lebzeiten verwehrt war – dazu war seine Musik viel zu kompromisslos, zu karg, zu grundsätzlich neu in der Reduktion der Mittel und der Spieldauer.
Mit dem Anschluss 1938 wurden Aufführungen von Weberns Musik untersagt. Ohne die Hilfe Alfred Schlees, der nach der „Arisierung“ der Universal Edition weiterhin im Verlag arbeitete, und der dem Komponisten Arbeit (Korrekturlesen und ähnliches) verschaffte, hätte Webern überhaupt kein Einkommen gehabt, um seine Familie über Wasser zu halten.
Die ganze Geschichte der Zweiten Wiener Schule hat eine tragische Seite. Der Gründervater, Arnold Schönberg, musste emigrieren und in den Vereinigten Staaten eine neue Existenz aufbauen. Er erlebte den Tod seiner beiden Freund gewordenen Schüler, Alban Berg 1935 und Anton Webern zehn Jahre später. Schwere Schläge für ihn wie auch für die Geschichte der Musik.
Als sich Webern im Jahre 1904 entschloss, bei Schönberg zu studieren, hatte er schon viele Stücke geschrieben, darunter das soeben fertig gestellte Orchesterwerk Im Sommerwind. Dieser Komposition begegnet man bis heute immer wieder in Konzerten. Trotz quälender Selbstzweifel und den Erwartungen seines Vaters, er solle Agrarwirtschaft studieren, um das familieneigene Gut zu übernehmen, schrieb Webern Musik.
Somit studierte er Musikwissenschaft an der Wiener Universität und schrieb seine Doktorarbeit über Heinrich Isaac. Er interessierte sich auch lebhaft für Kunstgeschichte, die er ebenfalls studierte, trat der Albrecht Dürer Gesellschaft bei und besuchte Galerien in München und Salzburg. (Gerade in jenen frühen Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden wichtige neue Schulen in der Malerei, wie Der blaue Reiter in München oder Die Brücke in Dresden.)
Schwer zu glauben, aber offensichtlich übertrafen Weberns Kenntnisse der Musikgeschichte jene von Arnold Schönberg. Schönberg nahm von seinen Vorgängern bloß, was für ihn – und für seine Arbeit – nützlich war, hatte aber im Gegensatz zu Webern keine konsequenten Studien betrieben. Dessen Wunsch, jedes Werk, das sie gemeinsam analysierten, in einen historischen Kontext zu stellen, soll Schönberg bewogen haben, sich der gründlichen Studie der Musikgeschichte zu widmen.
Emil Hertzka, der damalige Direktor der Universal Edition und ein unvergleichlicher Entdecker und Mentor neuer Talente, trat bereits 1914 an Webern mit dem Angebot heran, seine Werke in Verlag zu nehmen. Das war nur fünf Jahre nachdem er Verträge mit Mahler und Schönberg abgeschlossen hatte und Jahre vor der Kontaktaufnahme zu Bartók oder Janáček, von Berg ganz zu schweigen. Der Erste Weltkrieg kam jedoch dazwischen – Webern meldete sich als Freiwilliger – und erst 1920 kam es endlich zu einer Vereinbarung zwischen den beiden. (Im selben Jahr kam Kodály zur UE, Berg folgte drei Jahre später nach).
Um wieder einmal einen Sprung vorwärts zu machen: genauso wie es Hertzka zu verdanken ist, dass Webern seine Werke bei einem Verlag unterbringen konnte (früher hat er manche seiner Partituren im Selbstverlag veröffentlicht), so ist es einer anderen leitenden Figur der UE, Alfred Schlee, zu verdanken, dass die Druckplatten der Zweiten Wiener Schule die Jahre der Naziherrschaft überlebten: er vergrub sie in seinem Garten. Nach den Kriegsjahren standen sie also gleich zur Verfügung, um neu hergestellt und dem internationalen Musikleben erreichbar gemacht zu werden.
Eine engere Symbiose zwischen drei Komponisten und einem Verlag, als die, die sich über die Jahre zwischen Webern, seinem Lehrer und seinem Kommilitonen auf der einen Seite und der Universal Edition auf der anderen entwickelte, ist schwer vorstellbar. Ihre ist eine einmalige Erfolgsgeschichte: drei völlig unterschiedliche schöpferische Persönlichkeiten, die es schwer hatten, Akzeptanz für ihre Musik zu erkämpfen und es teils zu Lebzeiten, teils posthum doch geschafft haben, dank der standhaften Hilfe ihres Verlags.