Beat Furrer
*6. Dezember 1954
Werke von Beat Furrer
Biographie
1954 – Geboren am 6. Dezember in Schaffhausen, Schweiz
Klavierunterricht an der Musikschule seiner Heimatstadt
1975 – Übersiedlung nach Wien, wo er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Komposition bei Roman Haubenstock-Ramati und Dirigieren bei Otmar Suitner studiert
1984 – Preisträger des von der Stadt Köln, der Biennale Venedig und dem Festival d’Automne Paris veranstalteten Kompositions-wettbewerbs Junge Generation in Europa
1985 – Mitbegründer und künstlerischer Leiter des Klangforum Wien (ursprünglich Société de l’Art Acoustique) mit Aufführungen in der Wiener Secession, im Konzerthaus sowie bei Festivals im In- und Ausland
1989 – Uraufführung der Oper Die Blinden (nach Maeterlinck, mit Texten von Platon, Hölderlin, Rimbaud) im Odeon in Wien als Auftragswerk der Wiener Staatsoper
1991 – Lehrbeauftragter und seit 1992 ordentlicher Professor für Komposition an der Musikhochschule Graz
1992 – Siemens-Stipendium
1994 – Uraufführung der Oper Narcissus (nach Ovid) am Opernhaus Graz
1996 – Composer-in-residence bei den Luzerner Festwochen (u. a. konzertante Aufführung von Narcissus); Uraufführung von nuun für zwei Klaviere und Orchester bei den Salzburger Festspielen
1998 – Am 10. Januar deutsche Erstaufführung von Narcissus in Bonn
2003 – Preis der Stadt Wien für Musik
2005 – Mitglied der Berliner Akademie der Künste
2006 – Goldener Löwe der Biennale di Venezia für FAMA
2006/2007 bis 2009 – Gastprofessur für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main
2014 – Großer Österreichicher Staatspreis für Musik
2018 – Ernst von Siemens Musikpreis
Furrer ist österreichischer Staatsbürger und lebt in Kritzendorf bei Wien.
Über die Musik
Beat Furrer wurde 1954 in Schaffhausen in der Schweiz geboren; er lebt seit 1975 in Wien. Österreich ist seine musikalische Heimat geworden – wie man auf Englisch so schön sagt, er ist ein „naturalisierter“ Österreicher.
Er studierte Komposition bei Roman Haubenstock-Ramati. Es entwickelte sich über die Jahre eine Freundschaft zwischen den beiden, zwei unterschiedlichen Generationen zugehörigen Künstlern. Furrer belegte auch Dirigierkurse bei Otmar Suitner und hat eine erfolgreiche Dirigentenlaufbahn eingeschlagen, mit Schwerpunkt zeitgenössische Musik. Er hat sich unter anderem für das Schaffen Haubenstock-Ramatis eingesetzt und leitete 1992 die Uraufführung der revidierten Fassung von dessen Oper Amerika.
1985 gründete Furrer das Ensemble Klangforum Wien, dem er als künstlerischer Leiter und Dirigent jahrelang vorstand. Er und seine Nachfolger haben Klangforum zu einer der weltweit besten Interpretengruppen neuer Musik entwickelt.
Zwischen Anfang der 1980er Jahre und 1995 wurden Beat Furrers Kompositionen von der Universal Edition betreut: zwei seiner Opern (Die Blinden, 1989 und Narcissus, 1994), Orchesterwerke (Chiaroscuro, 1983/1986), Risonanze, 1988, Face de la chaleur, 1991, Madrigal, 1992 und andere), Stücke für Ensemble (A un moment de terre perdu, 1990, Narcissus-Fragment, 1993, Nuun, 1995/1996, etc.), Kammermusik (zwei Streichquartette, ein Klaviertrio, ein Klarinettentrio, u. a.) sowie Werke für Klavier und Violoncello solo. Es ist sein Frau Nachtigall für Violoncello aus dem Jahre 1982, das als Erstes der Liste seiner Kompositionen vorsteht; es war auch das erste Werk, das er der UE anvertraute.
Komponieren war für Furrer immer ein Kampf mit dem Material und er ist selten mit der fertig gestellten Partitur zufrieden: Sie stellt oft die erste Fassung von mehreren Revisionen dar.
Die Musik, die er in den 80er und 90er Jahren schrieb, war meistens fragil, die Dynamik eher im Pianobereich gehalten, der Klang immer wieder durch über die traditionellen hinausgehenden Spieltechniken bestimmt. Dramatische Momente fehlten aber nicht von seiner Ausdruckspalette: das 1. Streichquartett (1984) weist eine unerwartete, aggressive Eruption auf, im Ensemblestück In der Stille des Hauses wohnt ein Ton (1987) werden die Streichertremoli und die Flatterzungentöne unversehens durch einen infernalischen Sturm unterbrochen.
Furrers Musik deutet an, statt sich an klare Aussagen heranzuwagen. Er vertont Texte nicht unbedingt um Inhalte mitzuteilen – in seinem Narcissus-Fragment etwa geben die beiden Solisten Silben von sich statt vollständigen Wörtern, als ob in einem verzweifelten und am Ende zum Scheitern verurteilten Versuch zu kommunizieren.
Man könnte Furrers Kompositionen als „Konzeptmusik“ beschreiben: jedes neue Werk basiert auf ein neues Konzept. Für den Komponisten zählt die Suche nach neuen und flexiblen Systemen. Er sagt:
„Für jedes Stück möchte ich das Material und die Beziehungen der Intervalle aufeinander wieder neu kreieren. Das Komponieren würde mich nicht mehr interessieren, wenn ich das Gefühl hätte, ich würde ein schon erprobtes Konzept reproduzieren und nicht einen Schritt weiter gehen. Sicherlich hängen einige Stücke sehr deutlich zusammen, indem die gleichen Gedanken fortgeführt werden, doch erscheinen sie stets in einem ganz neuen Licht.“
Furrer hält jedoch nie rigide an einem Konzept fest, auf das er ein neues Stück zu basieren im Begriff ist: „Ein im Voraus entworfenes Konzept führt in jeder der verschiedenen Phasen einer Komposition zu immer neuen Reibungen mit dieser. Daher lote ich das Verhältnis von formalen Konzepten zum subjektiven Ausdrucksbedürfnis ständig aus, um das Konzept zu ändern oder sogar zu brechen. Ich folge ihm also nicht sklavisch, sondern behalte mir in jedem Moment die Freiheit einer Entscheidung vor. Somit werden die Brüche eines Konzeptes fast wichtiger als das Konzept selbst, da mich diese womöglich in eine Region entführen, in die ich sonst nicht gekommen wäre.“
Die bildenden Künste stellen bei Furrer, ähnlich wie bei zahlreichen seiner Kollegen, eine Inspirationsquelle dar. Nuun zum Beispiel, für zwei Klaviere und Ensemble, entstand unter dem befruchtenden Eindruck der monochromen Bilder Yves Kleins. Der Reichtum der Details dieser Bilder lässt sich bei der ersten Begegnung nicht erahnen, genauso wie beim Nuun, wo die recht vielen klanglichen Ereignissen beim ersten Hören die Wahrnehmung der Bewegungen in der Musik erschweren, sowie deren Strukturen. Im Verlauf der Musik werden die Schichten nacheinander entfernt, wobei deren Energie im Hintergrund bestehen bleibt, bereit, in jedem Augenblick wieder auf die Oberfläche zu gelangen. Für Furrer stellt seine Arbeit als Komponist teilweise die Realisierung unterschiedlicher Energieschichten dar.