Giacomo Meyerbeer
*5. September 1791
†2. Mai 1864
Werke von Giacomo Meyerbeer
Biographie
Giacomo Meyerbeers vergessene Schätze
Eine Edition von Musikern für Musiker
Leitung: Andrea Chudak
Notenmaterial: Max Doehlemann
Geboren wurde Giacomo Meyerbeer am 5. September 1791 als Sohn von Amalie und Jacob Herz Beer in Tasdorf bei Berlin, sein Geburtsname war Meyer Beer. Aufgewachsen in einer wohlhabenden und gesellschaftlich vernetzten jüdischen Familie, erhielt er eine umfassende musikalische Ausbildung bei den angesehensten Lehrern seiner Zeit. Klavierlehrer war Muzio Clementi, im Fach Komposition unterrichtete ihn der Leiter der Berliner Singakademie, Carl Friedrich Zelter sowie Abbé Vogler. Ein Mitschüler bei Vogler war Carl Maria von Weber, mit dem ihn später eine lebenslange Freundschaft verband.
1816 ging der junge Komponist auf Rat Antonio Salieris nach Italien, um sich dort intensiv mit der Oper zu befassen. In Italien legte er sich den Namen Giacomo Meyerbeer zu. Besonderen Einfluß auf ihn übte das Opernschaffen von Gioachino Rossini aus - doch entwickelte er bald eine individuelle Handschrift, die sich bereits in diesen früheren Arbeiten durch außergewöhnlichen Einfallsreichtum, Dramatik, Farbigkeit und Esprit auszeichnet. Bedeutende Bühnen in Italien begannen seine Werke zu spielen. Seine letzte italienische Oper „Il crociato in Egitto“ kam 1824 am Teatro la Fenice in Venedig heraus, was ihm internationale Aufmerksamkeit bescherte.
1830 ging er nach Paris, wo er mit französischsprachigen Opern große Bekanntheit als "Meister der Grand Opéra" erlangte. Mit „Robert le diable“ begann 1831 die Erfolgsserie, die sich mit „Les Huguenots“ 1836 fortsetzte und bis zu „Le Prophète“ reichte (1849). Meyerbeers Opernkunst war bahnbrechend und epochal. Sie war bewegt von den gesellschaftlichen Umwälzungen ihrer Zeit, gesellschaftlich engagiert und dennoch universell wie zeitlos. Mit seinen enormen musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten erschloss Meyerbeer neue Räume musiktheatralischen Denkens. Er führte neue Orchesterinstrumente ein und arbeitetet mit innovativen Bühnen-Illusionstechniken. Neben seinen Opern komponierte er auch Orchesterwerke, weltliche und geistliche Kantaten, Konzertarien und Chöre ebenso wie vokale und instrumentale Kammermusik, Lieder, Romanzen, Balladen und Klavier-Solowerke.
1842 wurde er als Nachfolger Gaspare Spontinis zum Preußischen Hof-Kapellmeister und Generalmusikdirektor der Königlichen Hofoper in Berlin ernannt. Ab 1846 lebte er dann wieder in Paris, um sich dort nur noch der Komposition zu widmen. Dort starb er am 2. Mai 1864 - sein Leichnam wurde nach Berlin überführt und eine Woche nach seinem Tod auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee beigesetzt.
Bei allen Erfolgen, die ihn zu Lebzeiten zu einem der bekanntesten europäischen Komponisten machten, war Meyerbeer immer auch mit ungewöhnlich vielen Gegnern und Feinden konfrontiert. Meyerbeer, der Vokalwerke in verschiedenen Sprachen komponierte und sich weltgewandt in ganz Europa bewegte, passte als Erscheinung nicht in die aufkommenden Denkweisen der National-Romantik - das Leitmotiv der Romantik war eher eine in nationalen Schulen und Regionalismen begründete Gefühlssprache mit identitärem Zugehörigkeits-Anspruch. Meyerbeer hingegen war ein polyglotter Weltbürger und Universalist aus dem Geist des aufgeklärten Berliner Reformjudentums. Die hartnäckige, überzogene Kritik an Meyerbeer mit durchaus antisemitischem Unterton führte dazu, dass Meyerbeer als Komponist nach seinem Tod nach und nach aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrängt wurde. Eine besondere Rolle spielten dabei die Wagnerianer, aber auch Musikschriftsteller wie etwa ein Hugo Wolf. Das ging so weit, dass viele seine Werke, zu Lebzeiten viel gedruckt, aus dem Kanon und den Bibliotheken verschwanden - bis sie schließlich als verschollen galten. In der NS-Zeit ist dann weiteres Material zerstört oder zerstreut worden.
Über die Musik
Die großen Opern Meyerbeers sind nie ganz aus den Spielplänen verschwunden und erleben seit Jahren eine erfreuliche Renaissance. Völlig unbekannt sind nach wie vor Meyerbeers Klavierwerke, Kantaten, Orchesterstücke, Konzertarien, Chorwerke, Lieder und etliches andere.
Meyerbeers Musik zeichnet sich immer durch eine vollendete Beherrschung und Durchgestaltung der musikalischen Formen aus, ganz gleich ob es um dramatischen, lyrischen, sinfonischen oder kammermusikalischen Ausdruck geht. Zwar ist die menschliche Stimme eines seiner wichtigsten Ausdrucksmittel, er ist aber beileibe kein reiner Vokal-Komponist. Meyerbeers Sound zeigt die ganze Ausdruckspalette der frühen Romantik - allerdings frei von deren mitunter biedermeierlicher, regional-national orientierter "Tümelei". Meyerbeers Musik ist voll zeitloser Frische und Tiefe. Und wir halten Meyerbeer als herausragenden musikalischen Vertreter eines polyglotten gesamteuropäischen Bewusstseins heute für aktueller denn je.
Viele seiner kleineren Werke entstanden anlassbezogen, etwa zu höfischen Feierlichkeiten. Bei den Vokalwerken ist die Vielfalt dessen interessant, was Meyerbeer für vertonenswert hielt - die Sujets reichen (jenseits der reinen Auftragswerke) von witzigen oder dramatischen Liebes-Themen über literarische oder religiöse Sujets bis hin zur Jüdischen Liturgie. Die Musikwissenschaft hat bislang leider wenig dazu beigetragen, diese Vielfalt neu zu erschließen oder gar verschollene Werke wieder aufzufinden.
Wir, eine engagierte Gruppe um die Sopranistin Andrea Chudak, wollen nun im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. In mühevoller Kleinarbeit und mittels Recherchen in Archiven und Sammlungen in Deutschland, England und Israel sind zahlreiche verschollene Kompositionen wiederentdeckt worden - ein Schatz, den wir der Öffentlichkeit in einer neuen Edition wieder zur Verfügung stellen möchten.
Unsere Reihe nennen wir "Giacomo Meyerbeers vergessene Schätze". Uns leitet nicht der Anspruch einer wissenschaftlichen Ausgabe, obgleich wir selbstverständlich Versionen sorgfältig miteinander abgleichen oder auch Fehler aus den alten Drucken beheben- für Detailfragen steht uns im Hintergrund ein Team aus Musikwissenschaftlern und musikalischen Praktikern zur Verfügung. Als praktizierende Musiker möchten wir in erster Linie dazu beitragen, dass diese herausragenden Kompositionen wieder als Noten zur Verfügung stehen und aufgeführt werden. Der Untertitel unserer Reihe lautet: "Eine Edition von Musikern für Musiker".
Wir danken der Universal Edition für die Chance und ausdrücklich auch den Freiraum, der durch das "Scodo"-Konzept entsteht. Die Notenausgaben entstehen in Zusammenarbeit von Andrea Chudak mit dem Berliner Komponisten Max Doehlemann, der die Noten anfertigt. Ein herzlicher Dank geht auch an den Berliner Meyerbeer-Forscher Thomas Kliche.