Hanns Eisler
*6. Juli 1898
†6. September 1962
Werke von Hanns Eisler
Biographie
Hanns Eisler ist, so Theodor W. Adorno, "der eigentlich Repräsentative aus der jungen Generation von Schülern Arnold Schönbergs und einer der begabtesten jungen Komponisten schlechthin". Der Sohn des Philosophen Rudolf Eisler wird am 6. Juli 1898 in Leipzig geboren. Noch als Kind kommt er nach Wien. Schönberg unterrichtet ihn dort von 1919 bis 1923.
Der eigene Weg kündigt sich bereits in seiner preisgekrönten Klaviersonate op. 1 und den facettenreichen Klavierstücken op. 3 an. Er mündet ab 1925 in Berlin in unverkennbar eigenständige Konturen seines Schaffens, als Eisler etwa im Liedzyklus Zeitungsausschnitte op. 11 aphoristische Satztechniken der Zweiten Wiener Schule mit den Themen des Großstadtalltags verbindet. Eisler komponiert Werke fast aller Besetzungen und in einer Zahl, die bei weitem übertrifft, was die beiden anderen Schönberg-Schüler Alban Berg und Anton Webern geschaffen haben.
Wie Paul Hindemith und Kurt Weill durchbricht Eisler die Beschränkung auf traditionelle Musikgattungen. Er komponiert auch für Bereiche jenseits der Konzertsäle und erzielt eine breite Resonanz mit Stücken für neue Zwecke. Darunter sind Werke für Experimentalfilm und Radio, für Arbeiterchöre, für Theater und Kabarett, aber auch für die Musikpädagogik, der er zeit seines Lebens verschrieben bleibt. Eislers neue Impulse für die Aufführungspraxis wie auch seine Dialektik des musikalischen Materials prägen sein musikwissenschaftliches und pädagogisches Wirken. In diesem Sinne hat er seine Arbeit als Komponist und als politisch bewußter Zeitgenosse musiktheoretisch und philosophisch in seinen umfangreichen Schriften reflektiert. Seit der Wiener Jugendzeit führt er diesen Teil seiner Arbeit immer wieder fort – in Berlin, New York und Los Angeles. Im Nachkriegs-Berlin leitet Hanns Eisler eine Meisterklasse für Komposition der Deutschen Akademie der Künste und lehrt als Professor an der Hochschule für Musik, die ab 1964 seinen Namen trägt.
Im Vordergrund der kompositorischen Arbeit Eislers steht die große Zahl der Vokalwerke. Sie spannen einen Bogen von seinen großen Liederzyklen (wie dem Hollywooder Liederbuch, das mit den Liederzyklen von Schubert, Schumann, Brahms und Wolf zu vergleichen ist) über Kabarettsongs bis zu populären Massenliedern; von Kantaten, Chören, Lehrstücken, großen Bühnenmusiken bis zu Requiem-Kompositionen und Vokalsymphonien. Auch in der Instrumentalmusik ist die Gattungsvielfalt außerordentlich. Klaviersonaten und ein Streichquartett bilden eher Ausnahmen im Verhältnis zu den für Eisler typischen Kompositionen, die autonomen Kunstanspruch mit musikalischer Funktionalität verbinden.
"Unter den Lebenden ist er einer der wirksamsten, entschiedensten und klarsten Köpfe. Denn er versucht mit Erfolg, die Musik vor dieser Gegenwart zu verantworten", urteilt der Musikkritiker H. H. Stuckenschmidt. Eisler ist nicht nur Komponist, er ist als geistiger Kopf Partner und Freund von Theodor W. Adorno, Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Charlie Chaplin, Ernst Bloch und Wolf Biermann – er ist ein Zeuge dieses Jahrhunderts.
Eine fast beispiellose musikalisch-literarische Symbiose verbindet Eisler mit Bertolt Brecht. Sie entsteht 1930 und endet erst 1956 mit Brechts Tod – mit keinem anderen Komponisten hat der Stückeschreiber so lange in so intensivem Austausch gestanden. Große Chorwerke wie Die Massnahme, Kantaten wie Die Mutter, Filme wie Kuhle Wampe und Hangmen Also Die (Regie: Fritz Lang) sowie zahlreiche Lieder und Bühnenmusiken (u.a. Schweyk im Zweiten Weltkrieg) entstehen in dieser Zusammenarbeit.
Hanns Eisler ist scharfer Gegner des Nationalsozialismus, muß 1933 aus Berlin ins zunächst europäische Exil flüchten. Aus dem Ausland beteiligt er sich an der Organisation des Widerstands, er bringt seine Haltung in Schriften und Werken zum Ausdruck, von kleinen Klavierstücken und Liedern bis hin zur groß angelegten Deutschen Sinfonie. Der NS-Kulturpolitik antwortet er mit dem Bekenntnis zur Moderne, zur Zwölftontechnik Arnold Schönbergs.
1938 lebt Eisler als Professor in New York, 1942 in Los Angeles, wo er zusammen mit Adorno und Brecht theoretisch wie praktisch nach neuen Möglichkeiten der Filmmusik sucht. Regisseure wie Joris Ivens, Jean Renoir, Joseph Losey, Fritz Lang und Alain Resnais sind seine Partner bei der Entwicklung einer Alternative zur Filmmusik-Ästhetik Hollywoods. Im amerikanischen Exil entstehen außerdem viele der wichtigsten Lieder, Orchester- und Kammermusikwerke. Wie Joseph Losey und Charlie Chaplin wird Eisler gezwungen, die USA zu verlassen. Bei der Abreise ehren ihn prominente amerikanische Kollegen mit einem Abschiedskonzert in New York, an ihrer Spitze Aaron Copland und Leonard Bernstein.
Über Wien kehrt Eisler 1950 nach Berlin zurück. Sein Enthusiasmus für ein neues Deutschland wird jedoch rasch gebremst. Eine SED-Kampagne gegen sein Faustus-Opernprojekt lähmt seine Schaffenskraft. 1954 stößt auch sein öffentliches Bekenntnis zu Arnold Schönberg auf Widerspruch. Die offiziellen Ehrungen, die Eisler als Komponist der Nationalhymne des zweiten deutschen Staates erfährt, täuschen nicht darüber hinweg, dass einige seiner Hauptwerke in der DDR kaum aufgeführt werden. Kurz vor seinem Tod im Jahre 1962 zieht Eisler in den Ernsten Gesängen eine nachdenklich stimmende Bilanz.
Mit Hanns Eislers Namen verbinden sich die Widersprüche dieses bewegten Jahrhunderts. Erst seit der deutschen Einheit besteht die wirkliche Chance, sich der reichen Produktivität dieses Komponisten – zuvor beschwert durch unterschiedliche Tabus – umfassend und vorurteilsfrei zu nähern.
Albrecht Dümling
Über die Musik
Hanns Eisler ist ein österreichischer Komponist und Musiktheoretiker, der in den 1920er Jahren zahlreiche kommunistische Kampflieder komponiert und Bühnenmusik für einige von Bertolt Brechts gesellschaftskritischen Stücken schreibt. Nach seiner Rückkehr aus der Emigration setzt er sein Wirken in der DDR fort und komponiert unter anderem die Nationalhymne („Auferstanden aus Ruinen“). Trotz zahlreicher Ehrungen Eislers kommt es wiederholt zu Spannungen mit dem SED-Regime.
1898 – 6. Juli: Hanns Eisler wird als drittes Kind des österreichischen Philosophieprofessors Rudolf Eisler und seiner Frau Ida Maria (Geburtsname: Fischer) in Leipzig geboren.
1901 – Umzug der Familie nach Wien.
1916-1918 – Kriegsdienst in der österreichisch-ungarischen Armee.
Zahlreiche Liedkompositionen.
1919-1923 – Eisler studiert Musik und Kompositionslehre bei Arnold Schönberg und Anton von Webern in Wien.
1920 – 31. August: Heirat mit der Sängerin Charlotte Demant (1884-1970). Aus der Ehe geht Sohn Georg (1928-1998) hervor, ein bekannter österreichischer Grafiker und Maler.
1925 – Tätigkeit in Berlin als Klavierlehrer und Komponist für Arbeiterchöre.
Er ist Mitglied der „Novembergruppe“, ein Zusammenschluss oppositioneller Künstler, die sich für eine Demokratisierung des Kunstgeschehens einsetzen.
Auszeichnung mit dem Kunstpreis der Gemeinde Wien.
1926 – Eisler beantragt die Aufnahme in die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands). Zu einem Beitritt kommt es aus ungeklärten Gründen nicht.
Aus seiner politischen Haltung heraus komponiert er „Zeitungsausschnitte für Gesang und Klavier“, Kampflieder und sozialistische Kantaten, darunter „Roter Wedding“ und „Das Rote Sprachrohr“.
ab 1927 – Kompositionen für Bühne und Film.
ab 1930 – Eisler vertont Bertolt Brechts Lehrstück „Die Maßnahme“ und viele seiner Chansons.
Verschiedene Reisen in die UdSSR.
1931 – Komposition der Musik für den Film „Kuhle Wampe“ mit dem „Solidaritätslied“ (Text: Bertolt Brecht).
Bühnenmusik zu Brechts Stück „Die Mutter“.
ab 1933 – Wegen des politischen Charakters seiner Arbeit muss Eisler vor den Nationalsozialisten fliehen. Zunächst reist er in die Tschechoslowakei, anschließend nach Paris, London und Wien.
Er gibt Konzerte in Holland und Belgien.
1935 – Vortrags- und Konzertreise in die USA.
14. Mai: In Abwesenheit wird er in Wien von Charlotte Demant geschieden.
1936/37 – Exil in Spanien. Hier komponiert Eisler Kampflieder für die Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg.
7. Dezember: Heirat mit Louise Jolesch (Geburtsname: von Gosztony).
1938 – Eisler emigriert in die USA, wo er weiter mit Brecht zusammenarbeitet und einige preisgekrönte Filmmusiken schreibt. Er setzt sich unter den zeitgenössischen Komponisten am intensivsten – sowohl theoretisch als auch in seiner kompositorischen Arbeit – mit der Filmmusik auseinander.
Eisler lehrt an der New School for Social Research in New York.
ab 1942 – Filmkomponist und Universitätslehrer in Kalifornien.
1943 und 1944 – Auszeichnung mit dem Preis der Akademie für Filmmusik (Hollywood) für die beste Filmpartitur des Jahres.
1948 – Ausweisung aus den USA wegen „kommunistischer Umtriebe“. Eisler kehrt zurück nach Wien, wo er seine Lehrtätigkeit wieder aufnimmt.
Nach 18 Jahren Wiederbegegnung mit seinem Sohn.
1949 – Rückkehr nach Ost-Berlin.
1950 – Eisler wird Professor und Leiter einer Meisterklasse für Komposition am Staatlichen Konservatorium in Ost-Berlin, der späteren Deutschen Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin.
Er vertont die von Johannes R. Becher gedichtete Nationalhymne der DDR.
Auszeichnung mit dem Nationalpreis I. Klasse der DDR. Gründungsmitglied der „Deutschen Akademie der Künste“ (DAK).
1952 – Eisler veröffentlicht das Libretto zur Oper „Johann Faustus“ als Buch. Nach Kritik der SED, es entspreche nicht den künstlerischen Vorstellungen des Sozialismus, wird der Verkauf eingestellt. Eisler stellt die Arbeit an der musikalischen Umsetzung ein.
1953 – Eisler lebt für mehrere Monate in Wien und nimmt dort die Arbeit an „Johann Faustus“ wieder auf.
1954
15. März: Scheidung von Ehefrau Louise.
17. Dezember: In einem Vortrag kritisiert Eisler die Kulturpolitik der SED.
1958 – Erneut Auszeichnung mit dem Nationalpreis I. Klasse der DDR.
26. Juni: Heirat mit Stephanie Peschl.
1962 – Präsident des Musikrates der DDR.
6. September: Hanns Eisler stirbt in Ost-Berlin.
© Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 15.01.2016
Text: CC BY NC SA 4.0