Morton Feldman
*12. Januar 1926
†3. September 1987
Werke von Morton Feldman
Biographie
Morton Feldman wurde 1926 in New York geboren und starb ebenda 1987. Wie sein Freund John Cage, war er ein amerikanischer Komponist und Künstler – ein Amerikaner im wahrsten Sinne des Wortes.
Er hat seine Identität durch den grundsätzlichen Unterschied zwischen seinen Ansichten die Kunst der Komposition betreffend und denen seiner Kollegen in Europa bestimmt. Er war stolz, Amerikaner zu sein, weil er überzeugt war, dass dies ihm eine in Europa unvorstellbare schöpferische Freiheit ermöglichte. Und als ein wahrer Amerikaner, hatte er möglicherweise auch ein winziges Minderwertigkeitsgefühl gegenüber der kulturellen Traditionen Europas, was er ablehnte und doch insgeheim bewunderte.
Wie jeder wahre Künstler besaß Feldman eine Sensibilität für die verschiedensten Eindrücke, allen voran die Literatur und die Malerei. Seiner Affinität für die Welt Samuel Becketts verdankt die Musikgeschichte das einmalige Musiktheaterwerk Neither sowie zwei Stücke für Kammerensemble. Seine Freundschaft mit den New Yorker Malern des abstrakten Expressionismus hat eine Reihe von Kompositionen gezeitigt, darunter Rothko Chapel. Aber sogar die Kunst des Knüpfens orientalischer Teppiche hat ihn inspiriert (The Turfan Fragments).
Feldman hat die Frage nach der niedrigen Dynamik seiner Werke folgendermaßen beantwortet:
„ – Weil wenn es laut ist, kann man den Klang nicht hören. Man hört den Anschlag. Dann hört man den Ton nicht mehr, nur seinen Verfall. Und ich glaube, das ist was seinerzeit Boulez beeindruckt haben mochte: er hörte einen Ton, statt einen Anschlag, und der ist erschienen und verschwunden ohne Anschlag und Verfall, fast wie ein elektronisches Medium.
Man darf auch nicht vergessen, dass laut und leise ein Aspekt der Differenzierung sind. Und meine Musik ist eher ein Monolog, der keiner Aufrufzeichen, keines Doppelpunkts bedarf, sie bedarf keines…”
Feldman hatte auch eine originelle Antwort parat, wenn er gefragt wurde, warum er eigentlich komponierte:
„Sie kennen die wunderbare Bemerkung Disraelis? Er war leider kein guter Schriftsteller, aber wenn er einer gewesen wäre, wäre die Bemerkung großartig gewesen. Man fragte ihn, warum hatte er angefangen, Romane zu schreiben. Er antwortete, weil er nichts zu lesen hatte (lacht). Bei mir war es ähnlich mit der zeitgenössischen Musik. Ich war nicht glücklich mit ihr. Sie wurde wie ein Rohrschach-Test.”
Über zwanzig Jahre nach seinem Tod ist die Musik Morton Feldmans lebendiger denn je.
Über die Musik
Morton Feldman wurde am 12. Januar 1926 in New York geboren. Im Alter von zwölf Jahren studierte er mit der Busoni-Schülerin Madame Maurina-Press Klavier; ihr verdankt Feldman seine lebhafte Musikalität. Bevor er 1941 bei Wallingford Riegger Komposition zu studieren begann, schrieb er kurze, von Scriabin beeinflusste Klavierstücke. 1944 wurde Stefan Wolpe sein Lehrer; sie verbrachten jedoch sehr viel mehr Zeit mit Diskussionen über Musik.
1949 fand dann die ausschlaggebende Begegnung statt: Feldman traf John Cage, und damit begann eine für die Entwicklung der amerikanischen Musik in den 50er Jahren entscheidende Zusammenarbeit. Cage war es, der Feldman Vertrauen zu seinen eigenen Ideen gab; daraus erwuchsen völlig intuitive Kompositionen. Er arbeitete nie mit irgendwelchen identifizierbaren Systemen, sondern schritt von Augenblick zu Augenblick, von einem Klang zum nächsten. Während der 50er Jahre in New York gehörten zu seinen Freunden die Komponisten Earle Brown und Christian Wolff, die Maler Mark Rothko, Philip Guston, Franz Kline, Jackson Pollock, Robert Rauschenberg und der Pianist David Tudor. Insbesondere die Maler beeinflussten Feldman bei seiner Suche nach einer eigenen, unmittelbaren und greifbaren Klangwelt. Daraus ergaben sich Experimente mit grafischer Notation: Projection 2 gehört zu den frühesten derartigen Partituren. In diesen Werken wählen die Spieler ihre Noten aus vorgegebenen Registern und Zeitstrukturen.
Feldman war jedoch mit den Freiheiten, die diese so stark von der Improvisation abhängigen Kompositionen den Interpreten zugestanden, nicht zufrieden und gab zwischen 1953 und 1958 die grafische Notation wieder auf. Doch die genaue Notation, die er in dieser Zeit an deren Stelle setzte, fand er wiederum zu eindimensional, und so kehrte er für zwei Orchesterwerke – Atlantis (1958) und Out of Last Pieces (1969) – zur Grafik zurück. Gleich nach diesen erschien eine Reihe von Instrumentalwerken mit dem Titel Durations, in denen die Tonhöhen genau festgelegt sind, die Interpreten aber gleichzeitig die Freiheit haben, ihre jeweils eigene Dauer – innerhalb eines vorgegebenen Grundzeitmaßes – wählen zu können.
1967 begann die Zusammenarbeit zwischen Feldman und der Universal Edition mit der Veröffentlichung seiner letzen grafisch notierten Partitur In Search of an Orchestration. Es folgte das Werk On Time and the Instrumental Factor (1969), in dem er erneut zur genauen Notation zurückkehrte. Mit Ausnahme von zwei Werken in den frühen 70er Jahren behielt er von nun an die Kontrolle über Tonhöhe, Rhythmus, Dynamik und Dauer bei.
1973 erreichte Feldman eine Anfrage der University of New York in Buffalo, die Edgar Varese-Professur zu übernehmen; er hatte sie für den Rest seines Lebens inne.
Seit den späten 70er Jahren nahmen seine Kompositionen an Länge in einem solche Grade zu, dass das zweite Streichquartett bis zu fünfeinhalb Stunden dauern kann. Es war besonders der Umfang dieser Werke, der zu Kontroversen Anlass gab, doch Feldman war jederzeit glücklich, wenn er versuchen konnte, seine dahinter stehenden Gedanken zu erläutern:
„Meine ganze Generation hielt sich an die 20- bis 25-Minuten-Stücke. Das war unsere Uhr. Wir alle kannten sie und wussten mit dieser Uhr umzugehen. Sobald man aber einsätzige 20-bis 25-Minuten-Stücke hinter sich lässt, entstehen andere Probleme. Bis zu einer Stunde Dauer denkt man über die Form nach, doch nach eineinhalb Stunden zählt der Umfang. Form ist leicht – das ist einfach die Gliederung von Dingen in Teile, doch der Umfang ist eine andere Angelegenheit. Man muss das ganze Stück überblicken – dazu bedarf es einer erhöhten Art der Konzentration. Vorher waren meine Stücke wie Objekte; jetzt sind sie wie sich entwickelnde Dinge.“
Neun einsätzige Kompositionen von Feldman dauern länger als eineinhalb Stunden.
Eines seiner letzen Werke, Palais de Mari (1986), ist mit einer Dauer von zwanzig Minuten für eine späte Komposition ungewöhnlich kurz. Grund dafür war ein Auftrag von Bunita Marcus; für sie sollte er ein Werk schreiben, das alles, was er in den sehr langen Stücken gemacht hatte, zusammenfassen und in ein kürzeres einbringen sollte. Da sie seine Zeitvorstellung kannte, bat sie ihn um ein zehnminütiges Werk, ahnend, dass es wohl die doppelte Länge haben werde.
Im Alter von einundsechzig Jahren starb Morton Feldman am 3. September 1987 in seinem Heim in Buffalo.