Victoria Borisova-Ollas
*21. Dezember 1969
Werke von Victoria Borisova-Ollas
Biographie
Victoria Borisova-Ollas wurde 1969 in Wladiwostok, einer Stadt über 9.200 km östlich von Moskau, geboren. Ende der 60er Jahre war es wohl nicht zu ahnen, dass die Sowjetunion innerhalb von zwei Jahrzehnten zusammenbrechen würde. Die Komponistin kam spät genug auf die Welt, um die vom neuen politischen System angebotene Freiheit (etwa die Freiheit des Reisens) zu genießen, aber auch früh genug, um von den Vorteilen der sowjetischen Musikerziehung zu profitieren. Jenes System hat dem begabten Mädchen ermöglicht, nach Moskau zu ziehen, sich in die Zentrale Musikschule einzuschreiben und später Komposition am Tschaikowski Konservatorium zu studieren.
Unter ihren Professoren am Konservatorium war auch Nikolai Korndorf (1947–2001), ein Vorbild, das sie bis heute bewundert und dem sie ihr Orchesterwerk The Kingdom of Silence (2003) – eine Art Requiem in memoriam Korndorfs – gewidmet hat.
Die junge Komponistin setzte ihre Studien in England und schließlich in Schweden (wo sie sich 1992 niederließ) fort. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass die Frage, mit der sie immer wieder konfrontiert wird, sich auf die „Nationalität“ ihrer Musik bezieht. Ist sie eine russische Komponistin? In welchem Maße haben sie ihre Studien im Westen beeinflusst?
Borisova-Ollas wehrt sich, sich zu einer eindeutigen Antwort hinreißen zu lassen. Ihre Musik sei „einfach eine gesunde Mischung von Allem“, ihre musikalische Sprache stünde am ehesten der britischen gemäßigten Moderne nahe. In der Tat, ihre Kompositionen lassen sich in keinem Fall der Avantgarde zuzuordnen. Sie schreibt Musik mit dem Ziel, Bilder, Gefühle, vielleicht sogar Botschaften zu kommunizieren, in einem auch für die Uneingeweihten verständlichen Stil.
Der Mitteilungsdrang könnte ihrem sowjetischen oder russischen Hintergrund entstammen. In ihrer Heimat empfänden Künstler, so auch Komponisten, eine moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Vielerorts sähe dies anders aus: Komponisten seien eher mit musikalischen Problemen beschäftigt als eine Botschaft an ihre Mitmenschen zu senden.
Im Gegensatz zu unzähligen ihrer Landsleute über die Jahrhunderte, die mit Russland auch in der Emigration eine unerschütterliche Loyalität verband, ist es der Komponisten gleichgültig, wo sie lebt. Sie interessiere einzig, ob der Ort über eine geeignete musikalische Infrastruktur verfügt.
Was die Botschaft ihrer Musik angeht, so ist sie oft religiöser Natur. Borisova-Ollas schöpft ihre Inspiration aus dem Psalter; die Titel ihrer Kompositionen sind öfters Zitate aus dem Psalmen. Sobald sie sich für einen Titel entschlossen hat, flössen ihr Bilder zu: die Auswahl des Titels sei meistens der erste Schritt, der die zu schreibende Musik bestimmt.
Die Malerei ist eine weitere Inspirationsquelle. Ein Gemälde von Malewitsch gab ihr die Idee für ihre erste Symphonie, The Triumph of Heaven (2001), drei Bilder von Chagall stehen hinter Roosters in Love (1999).
Die Literatur fungiert auch als Anregung: Colours of Autumn (2002) hat mit Nabokow’s Lolita zu tun und The Ground Beneath Her Feet (2006) – „eine inszenierte Komposition für Orchester, Sänger und Sprecher“ – basiert auf Salman Rushdies gleichnamiges Werk. In jüngster Zeit hat sich die Komponistin auch an Shakespeare gewandt: Hamlet. Ein Drama (2007) für Posaune und Orchester, wo der Solist, Elias Feingersh (der das Werk angeregt hat) seinen Part teilweise zu improvisieren und aus dem Shakespeare’schen Text zu rezitieren hat. Feingersh könnte als Mit-Autor betrachtet werden, Borisova-Ollas hätte „nur“ den orchestralen Hintergrund komponiert.
Klänge, insbesondere Glocken, liefern Borisova-Ollas auch Ideen. Die von München etwa standen Pate zu Angelus (2008), eine Auftragskomposition für die Münchener Philharmoniker anlässlich des 850. Jahrestages der Gründung der Stadt.
Victoria Borisova-Ollas ist mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnet worden. Sie gewann den zweiten Preis 1998 beim Masterprize International Competition for Orchestral Composition, Die 1. Symphonie erhielt die Auszeichnung der Royal Swedish Academy 2005, The Ground Beneath Her Feet wurde 2008 der Preis des Swedish Music Publishers Association zuerkannt und 2009 gewann die Komponistin den Hilding Rosenberg Preis des Swedish Composers’ Association.
2011 wurde Borisova-Ollas für ihr Klarinettenkonzert Golden Dances of the Pharaohs mit dem schwedischen Christ Johnson Preis für Komposition von der Swedish Royal Academy of Music ausgezeichnet. Sie ist die erste Frau, die diesen Preis erhalten hat.
2013 fand in Stockholm die Uraufführung von Creation of the Hymn im Rahmen des Tonsättarweekend, einem der Künstlerin gewidmeten Komponistenporträt, statt.
Im Dezember 2015 wurde ihr Werk Vinden som ingenting minns für Chor und Orchester am Örebro Konserthus uraufgeführt.
Am 13. Februar 2017 erhielt sie den Spelmannen Kulturpreis der schwedischen Zeitung Expressen.
Zurzeit arbeitet Borisova-Ollas an einem neuen Klavierkonzert für den schwedischen Pianisten Peter Jablonksi.