Béla Bartók
*25. März 1881
†26. September 1945
Werke von Béla Bartók
Biographie
1881 – 25. März: Béla Bartók wird in der Nähe der ungarischen Stadt Nagyszentmiklós (heute: Sânnicolau Mare/Rumänien) als Sohn des Direktors einer landwirtschaftlichen Schule und einer Lehrerin geboren
1889 – Nach dem frühen Tod des Vaters übernimmt die Mutter allein die Erziehung des Kindes und gibt ihm Klavierunterricht
1893 – Musik- und Kompositionsunterricht in Preßburg Allegro barbaro und der Oper Herzog Blaubarts Burg
1913 – Reise in die Oase von Biskra zum Studium arabischer Musik
1914-1919 – Komposition der Ballette Der holzgeschnitzte Prinz (1914-1916), Budapest (1917) und Der wunderbare Mandarin (1918/19)
1923 – Erster großer Welterfolg mit der Tanz-Suite für Orchester
1924 – Veröffentlichung der wissenschaftlichen Abhandlung Das ungarische Volkslied
1934 – Veröffentlichung der wissenschaftlichen Abhandlung Die Volksmusik der Magyaren und der benachbarten Völker;
Bartók bittet um Entbindung von seinem Lehrauftrag, um sich ganz der Forschung widmen zu können.
1936 – Komposition der Musik für Seiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta für das Baseler Kammerorchester
1939 – Komposition des Divertimento für Streichorchester
1940 – Emigration in die USA; Ernennung zum Ehrendoktor der Columbia University. Bartók erhält einen Forschungsauftrag
1943 – Nach dreijähriger Schaffenspause ist das Konzert für Orchester fertiggestellt
1945 – 26. September: Béla Bartók stirbt in New York
Über die Musik
Es ist wohl Zufall, dass Béla Bartók der ungarische Komponist geworden ist, den wir heute kennen. Nach dem frühen Tod seines Vaters, der Direktor einer kleinen Schule in Nagyszentmiklós (im heutigen Rumänien) gewesen war, war seine Mutter gezwungen, alleine für ihre beiden Kinder (Béla hatte eine Schwester, Elza) zu sorgen. Die Familie lebte in verschiedenen Städten der österreichisch-ungarischen Monarchie, so auch in Pressburg (Pozsony für die Ungarn, Bratislava für die Slowaken). Die Stadt lag Wien viel näher als zu Budapest und es wäre nahe liegend gewesen, dass der begabte junge Musiker an der berühmten Musikakademie der Hauptstadt seine Studien weiterführen würde.
Dass sich Bartók und seine Mutter für Budapest entschlossen, lag an dem Einfluss von Bartóks Freund, Ernö (Ernst) von Dohnányi, der vier Jahre älter war und obwohl er in Pressburg geboren wurde, seine Studien an der Franz Liszt Musikakademie in Budapest fortsetzte – Klavier bei dem Liszt-Schüler István Thomán und Komposition bei Hans Koessler. Bartók folgte seinem Freund auch bei der Wahl dieser Professoren nach.
Entscheidend an den Budapester Jahren wurde die Begegnung mit Zoltán Kodály, der – 1882 geboren – zwar ein Jahr jünger war, doch einen prägenden Einfluss auf Bartók ausübte. Bartók, mit dem Kodály bald eine enge Freundschaft entwickelte, betrachtete ihn als reifer, weiser, gebildeter als er selbst und wandte sich immer wieder für Ratschläge an ihn.
Anfang des 20. Jahrhunderts besannen sich Ungarn immer mehr ihrer nationalen Identität (kein Wunder, dass eines von Bartóks frühen Orchesterwerken dem Andenken des Revolutionsführers Lajos Kossuth gewidmet war) und eine Zeit lang trug Bartók eine Art Tracht, um seine Patriotismus zu betonen.
Wesentlich wichtiger war die Erkenntnis, die er mit Kodály teilte, dass sich die ungarische Kunstmusik in einer Sackgasse befand. Den einzigen Weg daraus erachteten die beiden jungen Komponisten die Erforschung der genuinen ungarischen Volksmusik, um sie einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen und darauf basierend eine neue Art von Kunstmusik zu schaffen.
Sie folgten dabei dem Beispiel von Béla Vikár (1859–1945), der schon 1896 angefangen hatte, Volkslieder zu sammeln und sie, wohl als erster in Europa, auf Phonographzylinder aufzuzeichnen. Vikár war der Bahnbrecher, Bartók und Kodály wurden die Begründer der Ethnomusikologie als wissenschaftliche Disziplin in Ungarn.
Bartóks erste Kompositionen wurden bei den ungarischen Verlagen Rózsavölgyi und Rozsnyai in Budapest verlegt, so auch das 1. Streichquartett (1907–1909). Dass das Interesse an der Partitur sich in Grenzen hielt, lässt sich daran messen, dass 1945 die meisten Exemplare immer noch auf den Regalen des Lagers zu finden waren.
Bartók hielt es bis 1918 bei Rózsavölgyi aus – in jenem Jahr erfolgte der erste Vertragsabschluss mit der Universal Edition in Wien, dessen Direktor, Emil Hertzka, gebürtiger Ungar war. So geschah, dass Bartóks einzige Oper, Herzog Blaubarts Burg, schon den UE-Katalog bereicherte. Jahrzehntelang – bis zur faschistischen Machtübernahme in Europa und Bartóks Emigration in die USA 1940 – wurden seine Kompositionen von Mitarbeitern des Wiener Verlages betreut.
Allerdings erscheint Hertzkas Name in Bartóks Briefen schon 1901 zum ersten Mal. Da lebte der spätere Direktor der UE noch in Budapest: der neunzehnjährige Komponist berichtet seiner Mutter nach Pressburg über seine Versuche, Privatstunden zu geben um Geld zu verdienen. Dr. Hertzka hätte ihm geraten, höchstens 10–12 Stunden zu unternehmen.
In der Korrespondenz mit seiner Familie begegnen wir Hertzkas Namen erst 1918 wieder. Bartóks erste Frau, Márta Ziegler, schreibt ihrer Schwiegermutter:
„Und nun, passt auf ihr alle: die Universal-Edition führt Gespräche mit B. – sie wolle alle seiner Werke herausgeben. Man hätte die Absicht, den Vertrag für 6 bis 10 Jahre abzuschließen (B. will sich wahrscheinlich für zehn Jahre entscheiden); man verpflichtet sich, jährlich 4 Kompositionen zu veröffentlichen. Darüber hinaus wolle man auch sämtliche, bei Rózsavölgyi und Rozsnyai verlegten Stücke übernehmen. Über Tantièmen wolle man später verhandeln. Ich schreibe darüber später, nach Vertragsabschluß. – B. strahlt – das genügt, nicht wahr? Weil dies bedeutet nicht nur, dass die vorhandenen Werke, die bisher nicht erschienen sind, auch verlegt werden sollen (da B. nie mehr als 2 Stücke pro Jahr komponiert, werden die anderen 2 von den alten genommen) sondern auch, dass die Universal viel Propaganda für die Bühnenwerke machen wird, damit sich die Partituren gut verkaufen lassen. Hertzka hatte genug Zeit, sich zu überlegen, seit der Pantomime, als er offensichtlich Angst bekam. Er ist ein guter Geschäftsmann, er nimmt seine Entscheidungen nie überstürzt.“
Unter „Pantomime“ war Der holzgeschnitzte Prinz gemeint.
Dass Emil Hertzka die Promotion der Bartók’schen Werke ernst nahm, erfahren wir aus einem Brief Frau Bartóks aus 1920:
„Letzte Woche kam ein Brief von seinem Verleger, Hertzka, aus New York: er hätte zahlreiche Pianisten für die Werke Bélas interessiert, die sie spielen wollen. Den Bärentanz hätte man in Amerika neu gedruckt.“
1923 berichtet Bartók seiner Mutter, dass Hertzka in Wien eine Bartók-Woche veranstalten will, ähnlich der Berliner Konzertreihe, die im selben Jahr stattfand – nur wolle er es besser machen.
1928 besuchte Hertzka Bartók in Budapest und gab sich von dessen neuen Wohnung zufrieden. „Wir haben einige geschäftliche Angelegenheiten besprochen, sowie auch meine neueren Kompositionen. Ich war nämlich wieder fleißig im Sommer: habe ein etwa zwölfminütiges Stück für Violine und Klavier geschrieben [die 1. Rhapsodie ist gemeint]; dies ist ein kleineres Werk. Das größere ist ein neues Streichquartett [das Vierte], was ziemlich viel Arbeit verursachte, es ist schon fast fertig. Ditta und ich haben versucht, den ersten Satz auf zwei Klavieren zu spielen, d.h. wir haben hart daran gearbeitet, weil er ziemlich schwer ist.“
Bartók stattete der UE 1930 einen Besuch ab. Er traf den aus Amerika soeben eingetroffenen Direktor Hertzka, andere Mitarbeiter sowie Rudolf S. Hoffmann, der die 20 ungarische Volkslieder ins Deutsche übertragen hatte. Er bekam auch Korrekturen, die er noch am selben Abend durchführte.
Der einzige Hinweis, dass das Verhältnis mit Hertzka nicht immer ungestört verlief, geht aus Bartóks Brief an seine Mutter vom 1931 hervor, wo es heißt, es herrsche „ex lex“ zwischen den beiden, der Komponist sei aber bereit, den Vertrag zu verlängern.
Jene heile Welt endete mit Hertzkas Tod 1937 und mit dem Anschluss im Jahre darauf. Bartók war verzweifelt: die politischen Ereignisse haben ihn beängstigt und damit verbunden auch das Schicksal seiner Werke in der „arisierten“ Universal Edition. Der Verlag verzichtete auf den Vertrag 1939 und Bartók schloss sich Boosey [&] Hawkes an.
Ein wichtges Kapital der Geschichte der Universal Edition – gleichzeitig auch im Leben von Béla Bartók – nahm ein unschönes Ende. Als es wieder hätte normalisiert werden können, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, starb der Komponist in den Vereinigten Staaten.