Leoš Janáček
*3. Juli 1854
†12. August 1928
Werke von Leoš Janáček
Biographie
Leoš Janáček, geboren 1854 in Nordostmähren, hatte ein außerordentliches Leben, von Tragödien in seiner Familie gezeichnet, geprägt von einer sein Werk bestimmenden Liebesaffäre und spätem Erfolg.
Er verlor beide seiner Kinder: den Sohn Vladimír als zweijähriges Kind, die Tochter Olga als junge Frau; seine Frau Zdenka versuchte sich das Leben zu nehmen.
Als 63-jähriger lernte er die um Jahrzehnte jüngere Kamila Stösslová kennen. Die Liebe zu ihr war wohl die wichtigste, sein Spätwerk inspirierende Empfindung seines Lebens.
Er schrieb nicht weniger als 650 Briefe an die verheiratete Frau, Mutter von zwei Kindern. In einem heißt es:
„In meinen Kompositionen, dort, wo reines Gefühl, Aufrichtigkeit, eifernde Wahrheit wärmen, dort bist du, von dir stammen meine zärtlichen Melodien, du bist jene Zigeunerin mit dem Kind im Tagebuch des Verschollenen, du die arme Elinor Makropulos, und du bist im Totenhaus dieser liebenswerte Knabe Alej. Wenn der Faden risse, der mich an dich bindet, würde mein Lebensfaden reißen.“ (8. August, 1927)
Janáček war fünfzig, als Jenůfa, nach zehnjähriger Arbeit, uraufgeführt wurde – in Brünn, in der Provinz. Er musste hinnehmen, dass die Partitur durch den Direktor des Prager Nationaltheaters, Karel Kovařovic, bearbeitet wurde – eine Erniedrigung für den schon 61-jährigen Komponisten für den eine Produktion in der Hauptstadt von großer Bedeutung war.
Emil Hertzka, Direktor der Universal Edition, wohnte einer Aufführung bei und war so beeindruckt, dass er sich an Ort und Stelle entschloss, das Werk in Verlag zu nehmen. Im selben Jahr, 1916, erfolgte der erste Vertragsabschluss Janáčeks mit der Universal Edition.
Einem dringenden Hinweis des Komponisten Josef Suk folgend, besuchte auch Max Bod eine der Aufführungen. Unter dem Titel Meine erste Begegnung mit Janáček schildert er, der durch seine Übersetzungen ins Deutsche die internationale Verbreitung der Opern Janáček ermöglichte, den Eindruck, den die Oper 1916 auf ihn ausübte:
„Das Haus ausverkauft, mit Mühe fand ich auf der obersten Stehgalerie Platz. Ich sah nichts, hörte nur. Plötzlich stampften Urklänge eines Rekrutenliedes, eines Bauerntanzes zu mir herauf. Tränen der Seligkeit, lang entbehrte Tränen standen mir im Auge… Ach, da war es wieder einfach und gut, auf dieser Welt da zu sein!“
„Ich berichtete in der Schaubühne, die Siegfried Jacobsohn in Berlin herausgab, unter dem Titel Tschechisches Opernglück über das Außerordentliche. Janáček, der mir persönlich unbekannt war, schrieb mir nach Erscheinen meines Jubelartikels aus Brünn seinen Dank. Er wolle mich besuchen. …Einige Zeit später, ein unbekannter alter Herr steht in meinem Zimmer. Es ist Sonntag, noch ziemlich früh. Ich habe eben noch tief geschlafen. Träume ich weiter? Dieser Kopf mit der hohen, schöngewölbten Stirn, die blitzend-ernsten offenen großen Augen, der geschwungene Mund: das ist Goethes Kopf, wie ihn Stieler gemalt hat, doch hier ins Slawisch-Weichere transponiert… Ein Name klingt mir in den Traum - Leoš Janáček. Es ist der Komponist der Jenůfa“.
Brod hatte eigene schöpferische Pläne, wollte Dramen schreiben und hatte wenig Lust, die Übersetzung des Librettos in Angriff zu nehmen. Es wurde aber anders:
„Da kam der Meister selbst zu mir, die weite Reise aus Brünn scheute er nicht. Sein Blick bezwang mich. Mehr noch seine naive Bitte, die nicht klug zurückhielt, sondern energisch aufs Ganze losging. Er erzählte mir, dass er mit dem Nachtzug aus Brünn nach Prag gefahren war und schloss: ‚Jetzt gehe ich schon seit 6 Uhr morgens von Ihrem Hause auf und ab. Und immerfort denke ich: Dieser Brod hat schön über mich geschrieben. Wenn er nun auch die Übersetzung macht, ist alles gut. Lehnt er ab, so ist alles verloren.’”
Janáček hatte wohl recht: erst durch die deutsche Fassung des Librettos – und der Librettos der weiteren Opern – durch Max Brod wurden Jenůfa and die drauffolgenden Bühnenwerke international bekannt. Die Wiener Erstaufführung von Jenůfa wurde ein durchschlagender Erfolg und bald wurde die UE überflutet mit Bestellungen des Aufführungsmaterials aus Bern, Graz, Dortmund, Heidelberg, Kassel, Lübeck, Hannover, Stuttgart, München, Mainz und anderen Städten.
Außerordentlich an Janáčeks Lebensweg war auch die Tatsache, dass seine Meisterwerke – die Opern Katja Kabanova, Die Ausflüge des Herrn Brouček, Die Sache Makropulos, Das schlaue Füchslein und Aus einem Totenhaus, sowie Konzertwerke, wie die Sinfonietta, Taras Bulba und die Glagolitische Messe alle in den letzten Jahren seines Lebens, zwischen 1920 und 1928, entstanden sind.
Mit der Anerkennung seines Schaffens kam auch die Einsicht, dass Janáček nicht bloß ein mit Smetana und Dvořák ebenbürtiger tschechischer Komponist war, sondern einer der ganz großen Opernschaffenden des 20. Jahrhunderts.
Historisch ist Janáček einer der Klassiker der Moderne mit eigenständiger Wechselwirkung beider Begriffe: Stilistisch blieb er ein Einzelgänger, dessen ästhetisches Credo er selbst so formulierte: „Ich dringe mit der Wahrheit durch. Bis ans Äußerste. Wahrheit schließt Schönheit nicht aus. Im Gegenteil: von beidem immer mehr. Vor allem aber Leben, ständige, ewige Jugend.“
Wolfgang Schaufler
Über die Musik
Lesen Sie hier Max Brods Nachruf auf Leoš Janáček.
Leoš Janáček, geboren 1854 in Nordostmähren, hatte ein außerordentliches Leben, von Tragödien in seiner Familie gezeichnet, geprägt von einer sein Werk bestimmenden Liebesaffäre und spätem Erfolg.
Er verlor beide seiner Kinder: den Sohn Vladimír als zweijähriges Kind, die Tochter Olga als junge Frau; seine Frau Zdenka versuchte sich das Leben zu nehmen.
Als 63-Jähriger lernte er die um Jahrzehnte jüngere Kamila Stösslová kennen; die Liebe zu ihr war wohl die wichtigste, sein Spätwerk inspirierende, Empfindung seines Lebens.
Er schrieb nicht weniger als 650 Briefe an die verheiratete Frau, Mutter von zwei Kindern. In einem heißt es:
„In meinen Kompositionen, dort, wo reines Gefühl, Aufrichtigkeit, eifernde Wahrheit wärmen, dort bist du, von dir stammen meine zärtlichen Melodien, du bist jene Zigeunerin mit dem Kind im Tagebuch des Verschollenen, du die arme Elinor Makropulos, und du bist im Totenhaus dieser liebenswerte Knabe Alej. Wenn der Faden risse, der mich an dich bindet, würde mein Lebensfaden reißen.“ (8. August, 1927)
Janáček war fünfzig, als Jenůfa, nach zehnjähriger Arbeit, uraufgeführt wurde – in Brünn, in der Provinz. Er musste hinnehmen, dass die Partitur durch den Direktor des Prager Nationaltheaters, Karel Kovařovic, bearbeitet wurde – eine Erniedrigung für den schon 61-jährigen Komponisten, für den eine Produktion in der Hauptstadt von großer Bedeutung war.
Dr. Emil Hertzka, Direktor der Universal Edition, wohnte einer Aufführung bei und war so beeindruckt, dass er sich an Ort und Stelle entschloss, das Werk in Verlag zu nehmen. Im selben Jahr, 1916, erfolgte der erste Vertragsabschluß Janáčeks mit der Universal Edition.
Einem dringenden Hinweis des Komponisten Josef Suk folgend, besuchte auch Max Bod eine der Aufführungen. Unter dem Titel Meine erste Begegnung mit Janáček schildert er, der durch seine Übersetzungen ins Deutsche die internationale Verbreitung der Opern Janáček ermöglichte, den Eindruck, den die Oper 1916 auf ihn ausübte:
„Das Haus ausverkauft, mit Mühe fand ich auf der obersten Stehgalerie Platz. Ich sah nichts, hörte nur. Plötzlich stampften Urklänge eines Rekrutenliedes, eines Bauerntanzes zu mir herauf. Tränen der Seligkeit, lang entbehrte Tränen standen mir im Auge… Ach, da war es wieder einfach und gut, auf dieser Welt da zu sein!“
„Ich berichtete in der Schaubühne, die Siegfried Jacobsohn in Berlin herausgab, unter dem Titel Tschechisches Opernglück über das Außerordentliche. Janáček, der mir persönlich unbekannt war, schrieb mir nach Erscheinen meines Jubelartikels aus Brünn seinen Dank. Er wolle mich besuchen. …Einige Zeit später, ein unbekannter alter Herr steht in meinem Zimmer. Es ist Sonntag, noch ziemlich früh. Ich habe eben noch tief geschlafen. Träume ich weiter? Dieser Kopf mit der hohen, schöngewölbten Stirn, die blitzend-ernsten offenen großen Augen, der geschwungene Mund: das ist Goethes Kopf, wie ihn Stieler gemalt hat, doch hier ins Slawisch-Weichere transponiert… Ein Name klingt mir in den Traum - Leoš Janáček. Es ist der Komponist der Jenůfa“.
Brod hatte eigene schöpferische Pläne, wollte Dramen schreiben und hatte wenig Lust, die Übersetzung des Librettos in Angriff zu nehmen. Es wurde aber anders:
„Da kam der Meister selbst zu mir, die weite Reise aus Brünn scheute er nicht. Sein Blick bezwang mich. Mehr noch seine naive Bitte, die nicht klug zurückhielt, sondern energisch aufs Ganze losging. Er erzählte mir, dass er mit dem Nachtzug aus Brünn nach Prag gefahren war und schloss: ‚Jetzt gehe ich schon seit 6 Uhr morgens von Ihrem Hause auf und ab. Und immerfort denke ich: Dieser Brod hat schön über mich geschrieben. Wenn er nun auch die Übersetzung macht, ist alles gut. Lehnt er ab, so ist alles verloren.’”
Janáček hatte wohl recht: erst durch die deutsche Fassung des Librettos – und der Librettos der weiteren Opern – durch Max Brod wurde Jenůfa and die drauffolgenden Bühnenwerke international bekannt. Die Wiener Erstaufführung von Jenůfa wurde ein durchschlagender Erfolg und bald wurde die UE überflutet mit Bestellungen des Aufführungsmaterials aus Bern Graz, Dortmund, Heidelberg, Kassel, Lübeck, Hannover, Stuttgart, München, Mainz und anderen Städten.
Außerordentlich an Janáčeks Lebensweg war auch die Tatsache, dass seine Meisterwerke – die Opern Katja Kabanova, Die Ausflüge des Herrn Brouček, Die Sache Makropulos, Das schlaue Füchslein und Aus einem Totenhaus, sowie Konzertwerke, wie die Sinfonietta und die Glagolitische Messe alle in den letzten Jahren seines Lebens, zwischen 1920 und 1928, entstanden sind.
Mit der Anerkennung seines Schaffens kam auch die Einsicht, dass Janáček nicht bloß ein mit Smetana und Dvořák ebenbürtiger tschechischer Komponist war, sondern einer der ganz großen Opernschaffenden des 20. Jahrhunderts.