Mauricio Kagel
*24. Dezember 1931
†18. September 2008
Werke von Mauricio Kagel
Biographie
Das früheste Stück Mauricio Kagels, das bei der Universal Edition verlegt wurde, ist das Sexteto de Cuerdas. Der spanische Titel weist darauf hin, dass es noch vor der Emigration des Komponisten aus seinem Geburtsland Argentinien nach Deutschland entstanden ist (1953-1957), zur Uraufführung gelangte es jedoch schon in Darmstadt, 1958. Es gibt weitere frühe Kompositionen im UE-Werkverzeichnis, die einen spanischen Titel aufweisen und auf theatralische Aspekte verzichten, aber schon in den ersten Jahren nach der Übersiedlung komponiert wurden (z.B. Transición II für Klavier, Schlagzeug und zwei Tonbänder, aus den Jahren 1958-1959).
Schon beim Transición II werden jedoch die nackten Angaben bezüglich Besetzung, Dauer und Entstehungsdaten von ausführlichen Anweisungen zur Aufführung begleitet, die die späteren Stücke fast ausnahmslos schmücken.
Es gibt aber – zusätzlich zur Tatsache, dass die Titel nunmehr auf Deutsch oder Lateinisch abgefasst sind – eine grundsätzliche Änderung: Mauricio Kagels Kompositionen werden durch einen starken musiktheatralischen Aspekt bereichert. Genauso wichtig ist sein ausgeprägter Sinn für Humor, ja Ironie, der zum Zug kommt.
Schon seine Titelwahl zeugt davon: Mirum für Tuba (1965), Unguis incarnatus est für Klavier und… (1972) wo die liturgisch anmutenden Worte soviel bedeuten, wie „eingewachsene Zehnägel“. Die Recitativarie (1971-1972) soll von einer singenden Cembalistin zum Besten gegeben werden. Zum Lächeln ist auch der Titel folgenden Orchesterwerks: Variationen ohne Fuge über die ‚Variationen und Fuge’ über ein Thema von Händel für Klavier op. 24 von Johannes Brahms (1861-1862) (1971-1972) zumal während der Aufführung beide Komponisten leibhaftig (selbstverständlich in entsprechendem Kostüm, samt Perücke bzw. Bart) erscheinen.
Neben Händel und Brahms blieb auch Beethoven nicht verschont: Ludwig van (1969) sei eine „Hommage von Beethoven“, mit Mindestdauer 15’, wobei „Die Partitur […] aus Ausschnitten in Großaufnahme einer Reihe von Requisiten, die vollständig mit Noten von Ludwig van Beethoven überklebt sind [besteht]“.
Es ist von Bedeutung, dass es von dieser Hommage auch eine Filmfassung gibt (Dauer 100’), die nicht nur dafür sorgt, dass sich Interessenten eine vom Komponisten gezeichnete authentische Version anschauen können, es ist auch ein wichtiges Dokument eines weiteren Betätigungsbereichs des Komponisten: nämlich die Produktion von Filmen.
Zu einer Zeit, in der sich viele Komponisten, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu schaffen anfingen, mit Webern auseinander setzten und sich eine ganze Reihe von ihnen der seriellen Musik verschrieb, vertrat Kagel ein grundsätzlich unterschiedliches Bestreben: er stellt den herkömmlichen Begriff der Musik in Frage und komponierte Werke, die sich über mit diesem Begriff zusammenhängenden Gattungen lustig machten.
In den bei DuMont verlegten Bänden lassen sich zahllose Passagen finden, die zitiert werden könnten, ja müssten. Hier sind zwei Absätze als Beispiel und Beweis:
„Als Komponist fühle ich mich in zunehmendem Maße nichtklingenden Materialien verpflichtet. Darin sehe ich keinen Ersatz für das eigentliche Komponieren, sondern im Gegenteil die Bestätigung, dass von den Begriffsdefinitionen, die im Lexikon für das Wort Komposition stehen, ‚Zusammensetzung’ und ‚Mischung’ ebenso bewusst zu akzeptieren sind wie die übliche ‚Tonsetzung’. Aber abgesehen von terminologischen Spekulationen, bietet sich die Anwendung musikalischen Denkens auf das rein theatralische Denken als eine Selbstverständlichkeit an.
Wort, Licht und Bewegung werden in vergleichbarer Weise wie Töne, Klangfarben und Tempi artikuliert; Sinn und Unsinn aller szenischen Vorgänge erlangen ganz ohne Musikalität keine wirksame Darstellung, da die Gestaltungsmittel des homme de théâtre eher von echten musikalischen Kompositionsmethoden sich inspirieren lassen als von allem anderen (…und hier sehe ich einen Ausgangspunkt für die sanfte Erweiterung meines musikalischen Handwerks in das theatralische Handwerk gegeben).“
Anfang 1966 geschrieben, stellen diese Zitate den Kurs dar, dem Mauricio Kagel in den nächsten Jahren (so lange er seine Werke bei der Universal Edition verlegen ließ, d.h. bis 1981) verpflichtet blieb.
In einer seinen späten Kompositionen, La trahison orale, beschwor er sogar den Teufel herauf. Vor dem Tod musste Mauricio Kagel jedoch kapitulieren: er starb am 18. September 2008.