Johannes Maria Staud
Contrebande (On Comparative Meteorology II)
Kurz-Instrumentierung: 4 3 3 3 - 4 3 3 1 - Schl(5), Hf, Cel, Klav, BaHn, Vl.I(14), Vl.II(12), Va(10), Vc, Kb
Dauer: 18'
Widmung: für Pierre Boulez im Andenken an Bruno Schulz
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
kleine Flöte
Altflöte in G (+2. Picc)
1. Oboe
2. Oboe
Englischhorn
kleine Klarinette in Es
1. Klarinette in B
2. Klarinette in B (+Bkl(B))
Bassetthorn (+Bkl(B))
1. Fagott
2. Fagott
Kontrafagott
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in C
2. Trompete in C
3. Trompete in C
1. Posaune (+Apos)
2. Posaune
3. Posaune (+Btrp in C)
Tuba
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
3. Schlagzeug
4. Schlagzeug
5. Schlagzeug
Celesta (+1. Klav)
Klavier
Harfe
1.-4. Violine I(4)
5.-8. Violine I(4)
9.-14. Violine I(6)
1.-6.Violine II(6)
7.-12. Violine II(6)
1.-6. Viola(6)
7.-10. Viola(4)
Violoncello
Kontrabass
Staud - Contrebande (On Comparative Meteorology II) für Orchester
Übersetzung, Abdrucke und mehr
Johannes Maria Staud
Staud: Contrebande (On Comparative Meteorology II)Instrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Nach On Comparative Meteorology (2008/09; rev. 2010) entstand auch dieses Werk unter dem Eindruck einer tiefen Erschütterung: Ich habe Bruno Schulz (1892 - 1942) kennengelernt. Seine beiden Erzählbände Die Zimtläden (Sklepy cynamonowe; Cinnamon shops) und Das Sanatorium zur Todesanzeige (Sanatorium pod klepsydra; Sanatorium under the sign of the hourglass), sowie die Erzählung Der Komet (Kometa, The Comet) sind neben einigen Prosafragmenten, Briefen und Zeichnungen die einzigen erhaltenen Werke dieses polnisch-jüdischen Visionärs, dessen Werk wie ein Meteorit in die Literaturgeschichte ragt und dessen Bedeutung erst allmählich weltweit bewusst wird.
Die Erinnerung an die eigene Kindheit phantastisch-expressionistisch überhöhend, erschafft Bruno Schulz mit einer hyperreal präzisen, an Buntheit nicht zu überbietenden Sprache eine ganz und gar eigengesetzliche, bizarre Welt. Zeitlicher Kausalität enthoben, zerlegt Schulz die Realität in ihre Einzelbestandteile und setzt sie, gebrochen durch ein Ich, für das prosaische Eindeutigkeit nicht zu existieren scheint, kaleidoskopartig völlig neu zusammen.
Hypertrophe Natur- und Wetterbeschreibungen und deren eigenartige Spiegelungen im menschlichen Innenleben; zweifelhafte demiurgische Aktionen und nicht erprobte Register des Daseins; Nebenstränge und Blindgeleise der Zeit: dies sind seine Themen, die Grundlagen seiner skurrilen Welt, die sich um den kleinen Ich-Erzähler Józef, den schillernden Vater Jakub, das laszive Dienstmädchen Adela und eine Reihe anderer bizarrer Figuren dreht. Die Hitze eines Augusttages, die Gewalt einer Sturmnacht (mit ausrastender und verpuffender Tante), die Fruchtbarkeit des hereinbrechenden Frühlings (und dessen Deutung mit Hilfe eines Briefmarkenalbums),…: all dies habe ich ohne Übertreibung nach der Lektüre von Bruno Schulz mit völlig neuen Augen zu sehen und veränderten Sinnen zu fühlen gelernt.
Dieses Werk ist Pierre Boulez gewidmet und durch meine nun schon viele Jahre andauernde, wunderbare Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern inspiriert. Es stellt meinen Versuch dar, der geheimnisvollen Welt Bruno Schulz’ auf musikalischem Wege nachzuspüren, sie aber nicht zu verdoppeln oder gar zu illustrieren. Der Titel entstammt den Kurzgeschichten Die Geniale Epoche (The Age of Genius), in der der Ich-Erzähler Józef seine Kreativität und illegale Nebengeleise der Zeit entdeckt und Der andere Herbst (A Second Autumn), bei der sein Vater eigenartigste Studien über das parasitenhaft wuchernde Wesen des Herbstes und das spezifische Klima in seiner Region anstellt.
Contrebande (On Comparative Meteorology II) besteht aus sechseinhalb kürzeren Stücken, die attacca ineinander übergehen und von kleinen Schulz’schen Textfragmenten gleichsam entzündet werden. Darüber hinaus bildet dieses Werk den zweiten Teil eines Orchester-Diptychons, das mit On Comparative Meteorology – 2009 vom Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst und in der revidierten Fassung 2010 vom Orchestre Philharmonique de Radio France unter Pascal Rophé uraufgeführt, seinen Anfang nahm.
Johannes Maria Staud