Jay Schwartz
Zwielicht
Dauer: 60'
Chor: SSATBB (mind. je 2 Sänger)
Solisten:
1. Sopran, 2. Sopran, Alt (oder Countertenor), Tenor, Bariton, Bass
Instrumentierungsdetails:
1. Tenorbassposaune
2. Tenorbassposaune
Kontrabassposaune
Orgel
Schwartz - Zwielicht für sechs Sänger, gemischten Chor (SSATBB), drei Posaunen und Orgel
Gedruckt/Digital
Übersetzung, Abdrucke und mehr
Jay Schwartz
Schwartz: ZwielichtInstrumentierung: für sechs Sänger, gemischten Chor (SSATBB), drei Posaunen und Orgel
Ausgabeart: Dirigierpartitur
Jay Schwartz
Schwartz: ZwielichtInstrumentierung: für sechs Sänger, gemischten Chor (SSATBB), drei Posaunen und Orgel
Ausgabeart: Studienpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Grundlage des zeitlichen Ablaufes von Zwielicht sind zwei oder mehr einander entgegengesetzt gleitende Töne („Glissandi“), die aufgrund der vom Hörer intuitiv vorgeahnten Konsonanz-Knotenpunkte und des mächtigen Sogs der dem Einklang zustrebenden Töne einen natürlichen „magnetischen“ Sog entfalten. Es entsteht eine zwingende Motivation des zeitlichen Geschehens. In ihren frühsten Stadien wurde die westliche polyphone Musik aus dieser harmonischen Schwerkraft geboren. Die Musik zu Zwielicht inszeniert die verrinnende Zeit zwischen Tag und Nacht mit gleitenden Tönen zwischen Konsonanz und Dissonanz. Von zentraler Bedeutung für die Komposition sind liturgische Texte und Gesänge zu Christi Himmelfahrt des St. Galler Mönchs und Lyrikers Notker Balbulus († 912). Aus diesen wurden einzelne Textpartikel herausgelöst und vertont, die unmittelbar auf das Motiv des Aufsteigens oder Auffahrens bezogen sind. Uraufgeführt wurde Zwielicht im Juni 2012 in der St. Galler Kathedrale. Die Neufassung wurde für die Kölner Vokalsolisten komponiert und erweitert die räumlichen und polyphonen Aspekte der Komposition.
Die Komposition besteht aus drei Teilen. Das Mittelstück, ein Orgelsolo, wird umrahmt von je fünf Abschnitten. In den ersten fünf Abschnitten streben die Töne in meist absinkender Richtung über lange Strecken gleitend zum Unisono. In den letzten sieben Abschnitten verwandeln sich die Tonbewegungen in siebentönige Skalen, und die Musik zeigt eine stark aufsteigende Tendenz. Im zentralen Orgelsolo prallen absteigende Chromatik (Zwölftönigkeit) und aufwärts gerichtete Diatonik (Siebentönigkeit) aufeinander und generieren somit den Knotenpunkt beider Kompositionshälften.
Die diatonische Tonleiter wurde bereits vor über 2500 Jahren von den Griechen festgelegt und entsprach der damaligen Vorstellung von sieben Himmelskörpern, die um die Erde kreisen. Die sieben Töne dieser Tonleiter werden infolge von sieben Quint-Schritten erreicht. Eine Quinte besteht ihrerseits wiederum aus sieben Halbtonschritten. Daraus lässt sich leicht ersehen, dass die Zahl Sieben die Musikgeschichte auf unvergleichliche Weise geprägt hat.
Ähnliches gilt für die Zahl Zwölf, die in der Musiktheorie in einem speziellen Verhältnis zur Sieben steht: So wurden die zwölf chromatischen Töne von den Griechen über eine Quintenreihe von sieben Oktaven festgelegt. Die Zwölf stand zudem in Beziehung zu den zwölf Tierkreiszeichen oder zu den zwölf olympischen Hauptgöttern. Im Christentum ist die Zwölf die Zahl der Apostel und symbolisiert das Himmlische Jerusalem mit seinen zwölf Toren.
Die Siebentönigkeit der zweiten Hälfte der Komposition erscheint als mixolydische Skala, wie sie etwa auch im Gregorianschen Choral Verwendung fand. Dass Notker sein „Alleluja. Dominus in Sina“, den Höhepunkt seiner Himmelfahrt-Sequenz, auf dieser Skala aufbaute, inspirierte dazu, diese Tonleiter auch als zentrales musikalisches Motiv in der zweiten Hälfte von Zwielicht einzusetzen.
Die mixolydische Tonleiter ist insofern ein Faszinosum, als sich in der Naturtonreihe (Obertonreihe) in der hohen Lage vom 8. bis zum 16. Partialton nahezu eine vollkommene mixolydische Tonleiter ausbildet. Nach dem 16. Partialton wird die Obertonreihe chromatisch bzw. mikrotonal, sie ist von da an nicht mehr als konkrete Tonskala melodisch fasslich. Die mixolydische Tonleiter erscheint somit als „Melodie“ am Übergang zwischen einem Grundton und dessen unendlichem Obertonspektrum. Die Musik zu Zwielicht entwirft dies akustische Phänomen als Analogon zum stufenlosen Verlöschen des Lichts im Fortschreiten der Dämmerung.
Jay Schwartz