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Arvo Pärt
La Sindone, für Violine und Orchester
UE38256
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)
Format: 210 x 297 mm
Seiten: 20
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Beschreibung
Über die exakte Herkunft und die Echtheit des Turiner Grabtuches gibt es viele Diskussionen und Theorien. Tatsache ist, dass das Leichentuch mit dem Antlitz einer Person, angeblich Christus, zu einer der bedeutendsten Reliquien der Christenheit geworden ist. Sein Weg lässt sich bis ins 14. Jahrhundert genau, davor allerdings nur lückenhaft und spekulativ zurück verfolgen. Ausgehend von Jerusalem dürfte das Tuch unter anderem über Aleppo, Konstantinopel, Zypern, Paris, Lirey, Chambery nach Turin gelangt sein, wo es seit 1578 aufbewahrt wird. Es ist der Weg dieses Rätsels, der Arvo Pärt angeregt hat, im Auftrag von Enzo Restagno und seinem Turiner Musikfestival Settembre Musica Torino ein neues Werk zu schaffen.
La Sindone für Orchester und Schlagzeug wurde am 15. Februar 2006 im Turiner Dom uraufgeführt. Es spielte das Estonian National Symphony Orchestra unter der Leitung des estnischen Dirigenten Olari Elts. Das Uraufführungskonzert fand im Rahmen der feierlichen Veranstaltungen anlässlich der Winterolympiade in Turin statt.
Mehr über das Turiner Grabtuch ist auf der offiziellen Website zu lesen: www.sindone.org
Das Turiner Grabtuch – La Sindone – ist eine der wichtigsten und zugleich rätselhaftesten Reliquien der gesamten Christenheit. Es zeigt unter anderem die Gesichtszüge eines gekreuzigten Mannes, der Jesus Christus sein könnte. Gerade weil Herkunft, Entstehung und Geschichte des Tuches wohl nie restlos zu klären sein werden, bleibt freier Raum für Betrachtungen des Grabtuches selbst und des mit ihm verbundenen Geheimnisses von Tod und Auferstehung. In diesem freien Raum gestaltet Arvo Pärt in seinem Orchesterwerk La Sindone musikalische Assoziationen mit den der Musik eigenen Mitteln. Die Komposition erzählt keine Geschichte und schildert schon gar nicht einzelne Details, sondern nähert sich dem Grabtuch und dem Kontext, in dem es steht, in drei Teilen gleichsam von drei Seiten. Aus anderen Werken Pärts vertraute Strukturen erscheinen in La Sindone entscheidend verwandelt und in neuem Licht. Diese Besonderheiten sind es, die man auf einer allgemeinen Ebene mit dem Turiner Grabtuch in Verbindung bringen kann.
Gleich der Anfang des Werkes ist für Pärt durchaus atypisch: Unvermittelt setzt das Werk mit dem Höhepunkt eines dramatischen Geschehens von schmerzlicher Intensität ein, das sich in der Tiefe verliert: die Klänge sterben ab und werden mit Trommelschlägen zu Grabe getragen, die wie verstreute Reste eines imaginären Trauermarsches herüberklingen.
Damit könnte das Stück bereits nach kurzer Zeit zu Ende sein und doch gibt es eine Fortsetzung: Ein einsames Stimmenpaar eröffnet einen zweiten Teil. Es hebt mehrfach an und bricht immer wieder ab, gleichsam in verhaltener Trauer auf der Suche nach dem, was in der Katastrophe zuvor verloren ging: auf der Suche nach einem musikalischen Gegenüber von ergänzenden Stimmen und nach einem einheitlichen melodischen Bogen. Tatsächlich gibt es diesen Bogen, er kann aber vorerst nur erahnt werden, weil er nicht in seiner Gesamtheit zu hören ist. Denn die einzelnen Gestalten, die aus der Stille hervortreten, sind klingende Teilstücke einer einfachen, sich wellenförmig weitenden Bewegung, die streckenweise ausgeblendet bleibt. Nach und nach treten weitere Stimmenpaare hinzu, lösen einander ab und überlappen sich. Überblendet werden hier aber keine verschiedenen, sich zu einer Geschichte zusammen fügenden Situationen, wie das bei einem Film mit fortschreitender Handlung der Fall ist, es sind die gleichen Passagen des gleichen musikalischen Weges, nur in verschiedenen Zeitlupengeschwindigkeiten rekapituliert. Die Zeit verliert damit ihre lineare Eindeutigkeit, die Musik gerinnt zu einer Fläche, von der immer größere Teile überblickt werden und die sich zunehmend füllt. Das Schlagzeug tritt hinzu und die Bläsergruppe, beide setzen Orientierungspunkte. Die in der Substanz gleichartigen melodischen Fäden, die zunächst immer wieder abgerissen sind, verknüpfen sich zu einem festen Gewebe, aus dem einzelne Stimmen hervortreten: Konturen zeichnen sich ab, undeutlich zwar und wie hinter einem Schleier, aber doch ein musikalisches Porträt. Metaphorisch gesprochen: In diesem umfangreichen zweiten Teil spannt sich ein musikalisches Tuch auf, dass das Turiner Grabtuch in eine musikalische Struktur übersetzt. Auch eine andere Assoziation ist möglich: Der Gang der musikalischen Stimmen, deren Spuren sich zunächst immer wieder verlieren, ist anfangs so lückenhaft wie der Weg, den das Turiner Grabtuch genommen hat – orientalisierende Wendungen in der Musik verweisen jedenfalls auf Aufbewahrungsorte im Osten.
Jedes noch so große Tuch hat seine Ränder und so löst sich auch dieses musikalische Gewebe wieder auf, werden die musikalischen Fäden lose, führen die musikalischen Wege nicht mehr weiter, weil sie in der dunklen Tiefe des Klangraumes an Grenzen stoßen. Und noch einmal könnte das Stück zu Ende sein und wieder kommt es anders, unerwartet: Ein dritter Teil folgt, der in symmetrischer Entsprechung zum ersten Teil dessen Abwärtsbewegung umkehrt. Die Musik steht gleichsam auf, die Schleier des zweiten Teils verschwinden und die Musik taucht in gleißendes Licht ein. Die komplexe, vom Tritonusintervall bestimmte Klangwelt des Anfangs kehrt zurück, wieder gelangt die Musik an einen Klangrand, jetzt aber nicht in der Tiefe, sondern in der Höhe. Aber dieses Mal verschwindet sie nicht, sondern fällt in das Unisono E, zieht sich in jenen einen Ton zusammen, auf den das gesamte Stück hin auf verschiedene Weise immer schon ausgerichtet war. Seine tonale Schwerkraft erweist sich als stark genug, um die Vielfalt des gesamten Werkes zur Einheit zurück zu führen. Mit diesem triumphalen Gestus könnte die Musik ein drittes Mal enden, und doch klingt das Stück mit einem abschließenden, ganz leisen e-moll Dreiklang aus. Wir, die wir noch nicht so weit sind, sehen noch nicht alles klar und in hellem Licht. Es bleiben die Geheimnisse – um das Turiner Grabtuch wie um das mit ihm verbundene Mysterium der Auferstehung.
La Sindone entstand als Auftragswerk des Turiner Musikfestials Settembre Musica für das kulturelle Programm der Olympischen Winterspiele Turin 2006 Le Olimpiadi della Cultura. Widmungsträger ist der künstlerische Leiter des Festivals Enzo Restagno.
Leopold Brauneiss
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Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)
Format: 210 x 297 mm
Seiten: 20