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Gustav Mahler
Mahler: Kindertotenlieder, für mittlere Singstimme und Orchester
Übersetzer: John Bernhoff
Text von: Friedrich Rückert
UE16793
Ausgabeart: Dirigierpartitur
Sprachen: Deutsch
Format: 250 x 340 mm
Seiten: 68
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Beschreibung
Es gehört zu den offensichtlich kaum auszurottenden Falschmeldungen über Mahler, die Komposition der Kindertotenlieder hätte mit der traurigen Tatsache zu tun, dass die ältere Tochter an den Folgen einer schweren Krankheit verstarb. Biographische Komponenten gibt es zwar in Mahlers Musik (und nicht nur bei ihm), aber die Kindertotenlieder wurden in den Sommern 1901 und 1904 geschrieben, Jahre vor dem bedauerlichen Hinscheiden der Tochter Maria („Putzi”). Die daraufhin gerne vorgebrachte Hypothese, Mahler habe eben über prophetische Kräfte verfügt, ist nicht seriös.
Mahler schrieb also die Kindertotenlieder – wie auch die von ihm selbst „Tragische” genannte Symphonie Nr. 6 – zu einer Zeit, in der praktisch alle Komponenten seines Lebens auf dem Höhepunkt waren: Die Direktion der Hofoper erlebte mit den Produktionen von Pique Dame, Tristan, Louise und Falstaff (um nur an einige wenige zu erinnern) eine Blütezeit, die kompositorische Inspiration war reichlich vorhanden, erste Erfolge als Komponist zeichneten sich ab, die noch junge Ehe war – wenigstens aus seiner Sicht – intakt, die beiden Kinder erlebten – wenigstens in den Sommermonaten am Wörthersee – einen glücklichen Vater. Dass Mahler gerade jetzt die tragischeste und auswegloseste Musik schrieb, war schon damals schwer verständlich und veranlasste beispielsweise Alma, eine Reihe von Deutungen „in biographistischer Manier” (Jens Malte Fischer, Gustav Mahler. Der fremde Vertraute, Wien 2003) zu erfinden.
Anders als beim Komponisten Mahler lag beim Dichter Friedrich Rückert (1788–1866) sehr wohl eine biographische Erfahrung seinen Kindertotenliedern zugrunde: Der Tod zweier seiner Kinder (Luise, gest. 31. Dezember 1833, und Ernst, gest. 16. Januar 1834) veranlasste Rückert zu einem umfangreichen Zyklus mit über 400 Gedichten, der 1872 erstmals (postum) veröffentlicht wurde. Mahler wählte fünf Gedichte zum Vertonen aus. Im Gegensatz zu anderen Liedkompositionen griff er hier nur sehr wenig in die Gedichttexte ein, hauptsächlich durch Wortwiederholungen. Wie beim überwiegenden Teil seiner Lieder komponierte Mahler zuerst eine Klavierfassung, die er in der Folge instrumentierte. Beide Fassungen erschienen 1905 beim Leipziger Verlag C. F. Kahnt. Die Uraufführung fand am 29. Jänner 1905 im Wiener Musikverein statt, Mahler dirigierte, Friedrich Weidemann sang.
1. Nun will die Sonn‘ so hell aufgeh‘n (komponiert 1901): Auffällig ist die lineare Anlage dieses Liedes. Es beginnt mit kargen, einsamen, öden Linien, die in „rhythmuslosen”, gleichförmigen Noten dahingehen. Erst allmählich treten auch vollere „Harmonien” hinzu. So entsteht nicht nur die Stimmung von Leere und Trauer („schwermütig” schreibt Mahler), sondern auch die Erinnerung an sehr alte Musik (der Historismus der Zeit) und an die Holzschnittartigkeit mancher damals zeitgenössischer Kunst (Sezession, Toorop, Japan).
2. Nun seh‘ ich wohl, warum so dunkle Flammen (komponiert 1904): Der charakteristische Auftakt mit drei Noten ist zwar durch den Text bedingt („Nun seh‘ ich”), findet sich aber in mehreren Werken Mahlers und gehört zu seinen „Lieblingsvokabeln” (Eggebrecht) – man denke nur an das berühmte Adagietto aus der Symphonie Nr. 5. Auch die prominente Rolle der Harfe erinnert an dieses Stück, das zur gleichen Zeit seine Uraufführung erlebte (Köln 1904).
3. Wenn dein Mütterlein (komponiert 1901): Das dritte Lied zeichnet sich durch eine Melodik aus, die an Kinderlieder und die Stereotypie heruntergeleierter Auszählreime erinnert, wodurch das tote Kind vergeblich „beschworen” wird. Die Melodien sind in einen linearen Begleitsatz eingebettet, der an das erste Lied erinnert, aber gegenüber der Singstimme eine doppelt so schnelle Bewegung bevorzugt.
4. Oft denk‘ ich, sie sind nur ausgegangen (komponiert 1901): Chromatik und plötzliche Tonartwechsel („Rückungen”) bestimmen diese Meditation, in der das persönliche Leid mit resignierendem Sich-Fügen verbunden wird. Taktwechsel mit bedeutsamen Pausen ermöglichen stilles Seufzen, Verstummen, die komponierte Sprachlosigkeit ebenso wie Nachdenken und Trostsuchen.
5. In diesem Wetter, in diesem Braus (komponiert 1904): Das einzige Lied, das mit einem mahlerschen Marsch beginnt, der in Tonart (d-Moll) und Melodieduktus an den ersten Satz der Symphonie Nr. 3 erinnert (Lied T. 9, Symphonie T. 136). Doch wird diese Aufgewühltheit nicht durchgehalten, sie mündet in eine „Berceuse von unendlicher Zärtlichkeit” (Fischer): „langsam, wie ein Wiegenlied” (T. 101) singt der Vater ein Lied zur ewigen Ruhe seines Kindes.
Insgesamt hat Mahler in den Kindertotenliedern eine schwer zu beschreibende Balance zwischen äußerster Expressivität auf der einen und mäßigender, formal ausgewogener, „schlackenloser” (Fischer) Zurückhaltung auf der anderen Seite gefunden, deren bezwingende Kraft nach innen gerichtet ist und die Trauer zwar nicht mildert oder verklärt, aber das Akzeptieren des Unvermeidlichen hörbar und fühlbar macht.
Reinhold Kubik, Herbst 2008
Inhaltsverzeichnis
Nun will die Sonn' so hell aufgeh'n
Nun seh' ich wohl, warum so dunkle Flammen
Wenn dein Mütterlein
Oft denk' ich, sie sind nur ausgegangen!
In diesem Wetter
Mehr Informationen
Ausgabeart: Dirigierpartitur
Sprachen: Deutsch
Format: 250 x 340 mm
Seiten: 68