Gustav Mahler
9. Symphonie
Kurz-Instrumentierung: 5 4 5 4 - 4 3 3 1 - Pk(2), Schl(4), Hf(2), Str
Dauer: 75'
Klavierauszug von: Josef Venantius von Wöss
Herausgeber: Erwin Ratz
Instrumentierungsdetails:
kleine Flöte
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte
4. Flöte
1. Oboe
2. Oboe
3. Oboe
4. Oboe (+Eh)
kleine Klarinette in Es
1. Klarinette in A (+Kl(B))
2. Klarinette in A (+Kl(B))
3. Klarinette in A (+Kl(B))
Bassklarinette in B
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott
4. Fagott (+Kfg)
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in F (+Trp(B))
2. Trompete in F (+Trp(B))
3. Trompete in F
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Basstuba
1. Pauken
2. Pauken
1. Schlagzeug (2 Spieler: große Trommel, Becken)
2. Schlagzeug (1 Spieler: Tam-Tam, 3 tiefe Glocken, Glockenspiel, kleine Trommel)
3. Schlagzeug (Triangel)
1. Harfe
2. Harfe (ad libitum)
Violine I
Violine II
Viola
Violoncello
Kontrabass
Mahler - 9. Symphonie für Orchester
Gedruckt/Digital
Übersetzung, Abdrucke und mehr
Gustav Mahler
Mahler: Symphonie Nr. 9 D-Dur für OrchesterInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Partitur
Gustav Mahler
Mahler: Symphonie Nr. 9 D-Dur für Orchester Digital verfügbarInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Studienpartitur
Gustav Mahler
Mahler: Symphonie Nr. 9 D-Dur für OrchesterInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Dirigierpartitur
Bindungsart: Hardcover
Gustav Mahler
Mahler: Symphonie Nr.9 - Partiturentwurf der ersten drei Sätze - Faksimile nach der Handschrift D-Dur für OrchesterInstrumentierung: für Orchester
Ausgabeart: Faksimilie
Gustav Mahler
Mahler: Symphonie Nr.9 D-Dur für Klavier zu 4 HändenInstrumentierung: für Klavier zu 4 Händen
Ausgabeart: Klavierauszug
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Dass die Neunte für zwei Heroen der symphonischen Musikgeschichte – Beethoven und Bruckner – die Endstation darstellte, war für einen Komponisten mit einem so starken historischen Bewusstsein, wie Mahler einer war, Ärgernis und Herausforderung zugleich. Mahler empfand sich gewiss als Erbe der genannten Komponisten, für welche die „Symphonie” die Königsdisziplin schlechthin war. Ein gerüttelt Maß an Aberglauben kam dazu, wenn man davon absieht, dass „Symbolismus” eine in Dichtung und Kunstgeschichte der Zeit relevante Strömung war, die Verbindungen zwischen allgemein verständlichen Symbolen und persönlichem Schicksal aufzeigte.
Mahler umschiffte die Problematik elegant, indem er das auf die Achte folgende Werk Das Lied von der Erde und nur im Untertitel „Eine Symphonie für eine Tenor- und eine Altstimme” nannte – so behauptet es jedenfalls seine Frau Alma in ihren Memoiren. Aber das Titelblatt des Autografs der Neunten zeigt unmissverständlich, dass Mahler offenbar Schwierigkeiten mit der Zahl „IX” hatte und das erste der beiden Zeichen sichtlich erst später vor das „X” geschrieben hat.
Das Werk entstand in einem einzigen Sommer, dem des Jahres 1909, in Toblach/Dobbiaco. „Ich war sehr fleißig und lege eben die letzte Hand an eine neue Symphonie. […] Es ist da etwas gesagt, was ich seit längster Zeit auf den Lippen habe”, schrieb Mahler aus dem Ferienort an Bruno Walter. Wie bei anderen Werken hat es sich dabei um den Partiturentwurf gehandelt (dessen Ende mit „1. September 1909” datiert ist), den Mahler nach New York mitnahm und während der Wintersaison fertig instrumentierte und ins Reine schrieb. Er begann damit etwa Weihnachten 1909 (Brief an Bruno Walter vom 18. oder 19. Dezember: „Demnächst hoffe ich mit meiner 9. anzufangen”) und beendete die Reinschrift am 1. April 1910 (Brief an Bruno Walter: „Die Reinpartitur meiner IX. ist fertig”). Offenbar hat Mahler den 1. Satz, der wahrscheinlich schon im Jänner oder Februar 1910 fertig gewesen sein mochte, getrennt zum Kopieren gegeben, denn Mahlers New Yorker Kopist, der Sekundgeiger und Archivar der New Yorker Philharmoniker, ein gebürtiger Deutscher namens Henry G. Boewig, kopierte noch in Amerika die Stichvorlage des ersten Satzes. Am 5. April reisten die Mahlers aus New York ab. Mahler nahm alles nach Europa mit und betraute seinen Wiener Hauptkopisten der letzten Jahre, Johann Forstik, mit der Herstellung der Stichvorlage der Sätze 2 bis 4. Dies wurde im Sommer 1910 erledigt, während Mahler in Toblach die Zehnte entwarf. Wie immer überarbeitete Mahler diese Stichvorlage und korrigierte und ergänzte eine ganze Menge.
Der Verlagsvertrag mit der Universal Edition datiert mit 21. Mai 1910, doch erst am 11. Juli 1911 begann man mit dem Notenstich, beinahe zwei Monate nach Mahlers Tod am 18. Mai. Die posthume Uraufführung am 26. Juni 1912 durch die Wiener Philharmoniker unter Bruno Walter erfolgte noch „aus dem Manuskript”, die gedruckte Partitur wurde ab dem 10. Dezember 1912 ausgeliefert.
Die folgenden Abschnitte dieser Einführung greifen auch Untersuchungen und Gedanken des bedeutenden amerikanischen Mahler-Forschers Stephen E. Hefling auf. Es ist offenbar ein Charakteristikum von Mahlers Spätwerk, dass es Bögen zu seiner Jugend schließt, indem Formen, Motive und Verfahrensweisen der Frühzeit aufgegriffen und zu einer überhöhten Vollendung geführt werden. So gesehen bezieht sich die Symphonie Nr. 8 auf die Chorkantate Das klagende Lied, während Das Lied von der Erde die Mahlersche Symbiose der „Wunderhorn”-Zeit zwischen Orchesterlied und Symphonie aufgreift. Die Symphonie Nr. 9 scheint auf den ersten Blick demgegenüber beziehungslos zu Mahlers Jugend – wir werden sehen, dass dem nicht so ist. Zunächst ist sie von zwei Faktoren gekennzeichnet: Beschränkung auf Instrumente (wie bei der „mittleren Trias” der Symphonien Nr. 5, 6 und 7), und – fast im Widerspruch zum Verzicht auf Singstimmen und Gesangstext – die intensive Beschäftigung mit „musikalischer Sprache”. Jens Malte Fischer verglich den Beginn mit dem Stammeln eines aus dem Traum Erwachenden. Ein konzentrierter Kontakt mit dem Philosophen und Dichter Siegfried Lipiner, einem wichtigen Lebensfreund Mahlers, mit endlosen Erörterungen von metaphysischen Fragen durch die Kunst war der Komposition der Neunten vorausgegangen (im Mai 1909 in Wien). Lipiner hatte dazu ein Gedicht geschrieben (Der Musiker spricht), dessen Hauptidee in die Symphonie eingegangen zu sein scheint: „Sie selbst, die Nacht, horcht auf, wie sie erklingt / Vom ew’gen Licht, das ihr im Schooße schwingt.” Alban Berg fühlte Ähnliches, als er 1923 oder später seiner Frau mitteilte: „Der erste Satz ist das Allerherrlichste, was Mahler geschrieben hat. Es ist der Ausdruck einer unerhörten Liebe zu dieser Erde, die Sehnsucht, in Frieden auf ihr zu leben, sie, die Natur, noch auszugenießen bis in ihre tiefsten Tiefen – bevor der Tod kommt. Denn er kommt unaufhaltsam. Dieser ganze Satz ist auf die Todesahnung gestellt. Immer wieder meldet sie sich. Alles Irdisch-Verträumte gipfelt darin …”
Im Partiturentwurf finden sich einige verbale Notate, die über diese generellen Empfindungen hinaus konkrete Hinweise auf Mahlers semantische Hintergrundebene geben. Es zeigt sich, dass Mahler im ersten Satz dreimal ein Thema aus dem Walzer Freuet euch des Lebens op. 340, von Johann Strauss Sohn, in variierter Form zitiert. Dieser Walzer ist der Gesellschaft der Musikfreunde gewidmet und wurde 1870 für den Eröffnungsball des neuen „Goldenen Saales” geschrieben. In dem Gebäude war auch das Konservatorium der Gesellschaft untergebracht, an dem Mahler von 1875 bis 1878 Klavier und Komposition studierte. Bei der auffälligsten dieser Zitatstellen (T. 267–271) schrieb Mahler in die Partitur: „O Jugendzeit! Entschwundene! O Liebe! Verwehte!” (Die beiden anderen Stellen finden sich in T. 148ff. und T. 436ff.) So scheint „Freuet Euch des Lebens” in der Tat eine symbolische, bittersüße Erinnerung an die Studienjahre, an die entschwundene Jugend zu sein.
Es gibt noch eine weitere Verbindung zur Jugendzeit: Alle Sätze gehen auf das „Motto” eines absteigenden Sekundschrittes zurück (von der 3. zur 2. Stufe, von „mi” zu „re”). Dieser motivische Gestus spielt auch im Lied von der Erde eine Rolle (z. B. in dem berühmten „ewig … ewig …” des Schlusses). Dies wiederum könnte eine Anspielung auf Beethovens programmatische Klaviersonate op. 81a, Das Lebewohl sein. Es ist vielleicht nicht ohne Bedeutung, dass der 15-jährige Mahler die Erlaubnis seines Vaters, am Wiener Konservatorium zu studieren, 1875 nach einem Vortrag dieser „Lebewohl”- Sonate erhalten hatte.
Die Großform der Neunten ist in mancher Hinsicht ungewöhnlich. Sie erinnert in keiner Weise an die Neunten Symphonien der berühmten Vorgänger. Zwei langsame Sätze, am Beginn ein Andante comodo und am Ende ein Adagio, bilden den Rahmen für zwei der am parodistischsten und verbittertsten Innensätze, die Mahler je geschrieben hat – ein Ländler-Walzerpaar und die „Rondo-Burleske”, ein bitterer, ironischer Satz, der spöttisch „an meine Brüder in Apoll” gewidmet war. Der außerordentlichste Aspekt von Mahlers letzter vollendeter Symphonie ist wohl das langsame Finale – ein hochgradig gesanglicher, konfliktbeladener Satz von mehr als 20 Minuten Dauer, der zeitlupenartige Anspielungen auf verschiedene frühere Werke Mahlers enthält (Urlicht, Ablösung im Sommer, Scherzo der Symphonie Nr. 3, Der Abschied aus Das Lied von der Erde und Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen aus den Kindertotenliedern); es ist, als ob sich in der Tat Kreise schließen würden.
Reinhold Kubik
Mai 2009