

Karlheinz Stockhausen
Aus den sieben Tagen
Übersetzer: Rolf Gehlhaar, Marie-Jeanne Maiter, Hugh Davies, John McGuire
Stockhausen - Aus den sieben Tagen für variable Besetzung
Übersetzung, Abdrucke und mehr

Karlheinz Stockhausen
Stockhausen: Aus den sieben Tagen für variable Besetzung - Nr. 26Instrumentierung: für variable Besetzung
Ausgabeart: Spielpartitur
Sprache: Deutsch | Französisch

Karlheinz Stockhausen
Stockhausen: Aus den sieben Tagen für variable Besetzung - Nr. 26Instrumentierung: für variable Besetzung
Ausgabeart: Spielpartitur
Sprache: Deutsch | Englisch
Hörbeispiel
Werkeinführung
Ich habe diese Musik, die aus der geistigen Einstimmung der Musiker durch kurze Texte entsteht, intuitive Musik genannt. Das Wort „Improvisation“ scheint mir für das, was wir spielen, nicht mehr richtig zu sein, da man mit Improvisation immer auch die Vorstellung von zugrunde liegenden Schemata, Formeln, stilistischen Elementen verbindet: sich also in einer Musik-Sprache bewegt, selbst wenn man zeitweilig über die Grenzen einer solchen Sprache hinaus gelangt. Mit intuitiver Musik möchte ich bewusst machen, dass sie möglichst rein aus der Intuition kommt, die bei einer Gruppe von intuitiv spielenden Musikern qualitativ mehr ist als die Summe von individuellen „Einfällen“ auf Grund einer gegenseitigen „Rückkopplung“. Die „Orientierung“ der Musiker, die ich auch „Einstimmung“ nannte, ist aber nicht eine beliebige oder negative – das heißt, alles musikalische Denken in bestimmten Richtungen ausschließende –, sondern sie ist jeweils konzentriert durch einen von mir geschriebenen Text, der das Instrument in ganz bestimmter Weise herausfordert. Wenngleich jede Realisation eines Textes sich wesentlich von einer anderen des gleichen Textes in vieler Hinsicht unterscheidet, so hat es sich doch herausgestellt, dass mehrere Realisationen des gleichen Textes gemeinsame Züge, gemeinsame musik-genetische Charakteristika haben. Es geht wohl darum, durch die verschiedenen Texte verschiedene Archetypen musikalischer Prozesse zu entdecken, von denen jeder zu ganz eigenen musikalischen Geschehnissen führt.
Es genügt nur nicht mehr das Musikwerk – das opus – zum Prozess, zum sich jeweils im Augenblick, im HIER und JETZT Entfaltenden, Wachsenden, Sich-Verwandelnden zu erweitern, sondern wir haben erfahren, dass auch die Vielzahl der zu entdeckenden Prozesse auf noch ursprünglichere, höhere Gestaltungskräfte hinweist, die tatsächlich überrationalen, intuitiven Ursprungs sind. Alles musikalische Denken dient, wenn man intuitive Musik spielt, diesem Überrationalen. Das Denken, das bewusste Formen und Reagieren – unter Einschließung aller „gelernten“ Fähigkeiten – ist keineswegs ausgeschlossen; aber es ist in jedem Moment ganz bewusst einer intuitiven einheitlichen Eingebung unterstellt, und es geschieht direkt, jetzt, unreflektiert (es hat im Moment der Aufführung keine Zeit zum Nachdenken), undialektisch also, instrumental.
Karlheinz Stockhausen