

Josef Bohuslav Foerster
Eva
Kurz-Instrumentierung: 3 3 3 3 - 4 3 3 1 - Pk, Schl, Hf, Org, Str
Libretto von: Josef Bohuslav Foerster
Textvorlage: Gabriela Preissová
Übersetzer: Johannes Brandt
Rollen:
Marja-Eva
Näherin
Sopran Manek
Tenor Die alte Meschjanowka
seine Mutter
Alt Samko
Kürschner
Bariton Susa
Mezzosopran Rubatsch
Arbeiter
Bass Bauern
Arbeiter
Musikanten
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte (+Picc)
1. Oboe
2. Oboe
Englischhorn
1. Klarinette in A (+Kl(B))
2. Klarinette in A (+Kl(B))
Bassklarinette in B
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott (+Kfg)
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in F (+Trp(B))
2. Trompete in F (+Trp(B))
3. Trompete in F (+Trp(B))
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Basstuba
Pauken
Schlagzeug
Harfe
Orgel
Violine I
Violine II
Viola
Violoncello
Kontrabass
Foerster - Eva
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Hörbeispiel
Werkeinführung
“Josef Bohuslav Foerster, ein Zeitgenosse Janáceks, wird selbst in seiner Heimat seit Jahrzehnten nicht mehr gespielt. Wer jedoch seine in Wexford [15.10.2004] aufgeführte Oper Eva gesehen hat oder den Mitschnitt dieser Aufführung hört, fragt sich verwundert, wie es zu dieser Vernachlässigung kommen konnte”. Jürgen Gahre (In: Fono Forum 04/06)
Foerster komponierte die tragische Oper Eva während seines Aufenthaltes in Hamburg (1893–1903), wo seine Frau, Berta Foersterová-Lautererová, von Gustav Mahler an der Hamburger Oper als Solistin engagiert war. Das Ehepaar folgte Mahler auch nach Wien, wo Foersters Frau unter Mahler an der Hofoper (1901–1913) tätig war. Nicht nur Berta Foersterová-Lautererová, sondern auch Foerster selbst, nahmen im Leben von Gustav Mahler eine besondere Stelle ein, Foerster war als Komponist hochgeschätzt: „Werde ich [Gustav Mahler] selbständiger Konzertdirigent, so will ich alle ihre Symphonien aufführen.” (Foerster: Der Pilger).
Das Sujet für seine Oper Eva übernahm Foerster aus dem Schauspiel Gazdina roba (Gazdina – Hauswirtin; roba – Schmähbezeichnung für eine Frau, die ihren Mann verlassen hat) von Gabriela Preissová, der wir auch die Jenufa-Vorlage verdanken. Preissová wurde in diesem Stück die Gründerin des tschechischen realistischen Dorfdramas. Hier führte Foerster einen Frauentyp in die tschechische Oper ein, den Janácek später zur Vollendung brachte. Im Mittelpunkt der Oper steht der gesellschaftliche Konflikt: die arme Näherin Eva und der reiche Bauernsohn Mánek lieben einander, ohne auf soziale Barrieren zu achten. Sowohl Máneks Mutter als auch das dörfische Volk erlauben aber als Folge der damals geltenden sozialen und religiösen Gesetze die Liebe der beiden nicht. Den Ausgang aus der verzweifelten Lage sucht Eva im freiwilligen Tod in den Wellen der Donau.
Die dramatische Stimmung zieht sich durch die ganze Oper durch. Foerster, der das Libretto selbst erschuf, war es wichtig, „die einzelnen Gestalten und Handlungen in ihrer psychologischen Wahrhaftigkeit einzufangen und letztlich alle Nebenfiguren auszulassen” (Foerster: Der Pilger), er übernahm lediglich sechs der ursprünglichen 20 Charaktere. Die 1899 am Nationaltheater Prag uraufgeführte Oper erhielt sich im Repertoire des tschechischen Theaters, alleine in Prag erreichte sie bis 1983 255 Vorstellungen. In der Zeit der Wiener Erstaufführung an der Volksoper 1915 wurde sie auch wegen der Koinzidenz mit der gleichnamigen Lehár-Operette unter dem Namen Marja bekannt.
Vorwort aus der Universal Edition Studienpartitur:
Eines Nachmittags Anfang Mai 1895 machte Foerster einen Spaziergang zum Hamburger Botanischen Garten. Auf dem Weg blieb er bei einem Uhrengeschäft stehen. Beim Anblick des arbeitenden alten Meisters hörte er Musik mit Worten und es erschien ihm die Figur des Samko. Auf diese Weise entstand der Gesang Když sám jsem toužil, kdy v sny se hroužil ... [Als ich mich sehnte, mich in Träume versenkte ...]*. Rasch notierte er Worte und Melodie und eilte nach Hause. Er selbst schrieb dazu: „Bis zum Botanischen Garten bin ich nicht mehr gekommen. Wie im Traum von einer unsichtbaren Hand geführt, trat ich in mein Zimmer und begann das Libretto der Eva zu schreiben.” Den ersten Akt beendete er noch am selben Tag, die übrigen bald darauf.
Foerster war ein Universalkünstler – Komponist, Dichter und Maler in einer Person – und keineswegs Musiker mit amateurhaften Neigungen zum Dichten und Malen. Er komponierte, schrieb Poesie und malte sein ganzes Leben lang. Bei ihm erwuchs die Musik aus den Worten und nicht umgekehrt, das Wort bildete die Quelle der musikalischen Inspiration. Lyrik hielt er dabei für edler und geeigneter zur Vertonung als Prosa, daher schrieb er das Drama Die Geliebte des Großbauern in Versform um und verwendete Hochsprache anstelle des Dialekts. Er beließ nur einige regionale Ausdrücke wie „gazda” [Großbauer], „gazdina” [Großbäuerin], „roba” [Flittchen], „frajerecka” [Mädchen] oder „strýnka” [Mütterchen]. Die ursprüngliche Vorlage von Preissová veränderte er in solcher Weise, dass er die größtmögliche Dramatik erreichte. Foersters Eva ist also nicht bloß eine Umdichtung der Geliebten des Großbauern in Versform, sondern ein tragisches Drama, in dem Eva die zentrale Figur vorstellt – aus diesem Grund lautet der Titel auch Eva und nicht Die Geliebte des Großbauern. Von den ursprünglich zwanzig Personen übernahm Foerster nur sechs: Eva, Mánek, Samko, Mešjanovka, Zuzka und Rubac. Er konzentrierte sich nicht nur auf das Einfangen der realen Gestalt des Dorflebens, sondern legte vor allem Wert auf die Ausarbeitung der Psychologie der Figuren und ihrer inneren Erlebnisse. Die bedeutendste Entwicklung ist an der Figur der Eva zu sehen, alle anderen Personen existieren nur in Beziehung zu ihr. Wir sind Zeugen dessen, wie Eva innerlich zur Gestalt der tragischen Frauenheldin heranwächst, deren Seele nach absoluter Liebe dürstet. Die Liebe ist hier das grundlegende Lebensprinzip, ohne das eine Existenz unmöglich ist. Weil Eva nicht ohne Liebe ihr Leben fristen möchte und kann, wählt sie lieber den Tod in der Donau, stirbt aber mit dem Jubel und der Extase einer Frau, die übermenschlich an das Gesetz der Liebe glaubt. Das Thema Liebe durchzieht in unterschiedlicher Form alle Opern Foersters und ist eines der zentralen Themen seines gesamten Lebenswerks.
In der Oper Eva verwendete Foerster Leitmotive, die bestimmte Personen und Situationen begleiten und charakterisieren. Er teilte nur den Hauptpersonen Eva, Mánek, Samko und Mešjanovka Leitmotive zu. Melodisch gehen sie auf das Volkslied Kysuca zurück. Das wichtigste Motiv ist das der Eva, das die gesamte Oper in unterschiedlichen melodisch-metrischen Varianten durchzieht. Es gelangt ebenso ins Orchester wie in den Gesang von Mánek und Samko. Der Komponist selbst charakterisierte Evas Thema folgendermaßen: „In diesen vier Tönen (d h cis d) spiegelt sich vor allem die Gefühlsneigung wider, aber auch eine gewisse Festigkeit und Eigenständigkeit; in der Wiederholung im zweiten Takt und im doppelten Anschlag des Tones d eine harte Unnachgiebigkeit und männliche Entschlossenheit.” Demgegenüber drückt das Motiv des Mánek Unentschiedenheit und Unfähigkeit aus, sein Glück zu verteidigen.
Ein weiteres wichtiges Element von Foersters Musikstil ist das melodische – er war primär ein Melodiker, dessen Lyrik aus seinem Wesen und seinem Temperament hervorgeht und sich Brahms’, Tschaikowskys oder Griegs Werk nähert. Als gläubiger Mensch übertrug er die Erkenntnis höherer moralischer Wahrheiten in künstlerische Form. Sein ganzes Leben lang blieb er ein bescheidener und grüblerischer Mensch. Er ließ sich nicht durch neue Kompositionsrichtungen beeinflussen, vermied jegliche Naturalismen und Affekte. Sein Ausgangspunkt war innige Lyrik, er betonte die Deklamation, bemühte sich um eine wahrheitsgetreue Darstellung des Lebens und überspannte alles mit einem tief religiösen Glauben, dem Glauben an das Gute und die Liebe. Foerster bildete den Übergang zwischen der Generation nach Smetana und der musikalischen Moderne. Zur Oper Eva bemerkte er: „Ich habe geschrieben, wie ich gefühlt habe, dass ich schreiben muss.”
Die Oper Eva entstand in den Jahren 1895–1897. Der erste Akt wurde im handschriftlichen Klavierauszug am 21. August 1896 begonnen, der dritte Akt am 2. Oktober 1896 beendet. Die Instrumentierung des ersten Akts war am 24. Jänner 1897 abgeschlossen, die des dritten Akts Ende März oder Anfang April 1897. Die Premiere der Oper fand am 1. Jänner 1899 im Nationaltheater unter der Leitung von Adolf Cech und unter der Regie A. Krossings statt, mit Ružena Maturová in der Hauptrolle. Das Werk erlangte große Popularität und wurde oft im National- und im Ständetheater gespielt – allein im ersten Jahr wurde es neun Mal aufgeführt und bis zum Jahr 1984 gab es beachtliche 263 Vorstellungen. Der Klavierauszug wurde drei Mal vom Musikverein Hudební matice Umelecké besedy herausgegeben: 1908, 1922 und 1940 sowie im Jahr 1951 vom Musikverlag NHV Orbis. Die deutsche Ausgabe des Klavierauszugs erschien bei der Universal Edition. Eva wurde als einzige der sechs Opern Foersters im Ausland gespielt, und zwar in Freiburg. Aufgrund der Namensgleichheit mit Lehárs Operette Eva wurde der ursprüngliche Titel und der Name der Hauptperson in Marja abgeändert.
Die Oper Eva nimmt in Foersters Werk eine Sonderstellung ein, da in den meisten Kompositionen Foersters aus den Jahren 1923–1929 das musikalische Motiv ihrer Hauptheldin erscheint. Der Komponist Otakar Zich schrieb 1929: „Alle fixen Motive erblassen vor dem erhabenen Motiv der Eva, das eine wahrhaftige idée fixe jeglichen Schaffens des Meisters ist; seinen innersten Sinn kennt nur der Schöpfer selbst.”
Svetlana Pribilová; deutsche Übersetzung von Martha Stellmacher
* In der vorliegenden deutschen Übersetzung von Johannes Brandt lauten die Worte der entsprechenden Stelle: „Sorgen und Zweifel quälten mich immer”.