Victoria Borisova-Ollas
Angelus
Kurz-Instrumentierung: 3 3 3 3 - 4 3 3 1 - Pk, Schl(3), Hf, Klav, Org/Synth, Str
Dauer: 20'
Widmung: to the 850th Anniversary of the City of Munich
Instrumentierungsdetails:
1. Flöte
2. Flöte
3. Flöte (+Picc)
1. Oboe
2. Oboe
3. Oboe (+Eh)
1. Klarinette in B
2. Klarinette in B
3. Klarinette in B (+Bkl(B))
1. Fagott
2. Fagott
3. Fagott (+Kfg)
1. Horn in F
2. Horn in F
3. Horn in F
4. Horn in F
1. Trompete in B
2. Trompete in B
3. Trompete in B
1. Posaune
2. Posaune
3. Posaune
Kontrabasstuba
Pauken
1. Schlagzeug
2. Schlagzeug
3. Schlagzeug
Harfe
Orgel (oder Synthesizer)
Klavier (+Cel)
Violine I
Violine II
Viola
Violoncello
Kontrabass
Borisova-Ollas - Angelus für Orchester
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Die Stadt, in der keine Vögel singen und keine Glocken klingen, ist eine tote Stadt. An der Dichte ihres täglichen Glockengeläuts gemessen, müsste München zweifellos als die lebendigste Stadt des modernen Europa gelten.
Als ich einen Auftrag des Münchner Philharmonischen Orchesters für eine Komposition zum 850. Jubiläum seiner Heimatstadt erhielt, beschloss ich, München zum ersten Mal in meinem Leben zu besuchen. Die Reise fiel auf ein Wochenende Ende September 2006. Am Sonntagmorgen machte ich mich beim ersten Läuten der Peterskirche mit Stadtführer und Mini-Disc-Recorder zu einem langen Spaziergang durch die Stadt auf. Die erste Glocke, die auf meiner Disc läutet, ist natürlich die Peterskirchenglocke. Zur Mittagszeit wurden die Klänge des wunderbaren Rathaus-Glockenspiels aufgenommen. Um 17 Uhr 45 stand ich vor der Frauenkirche und wartete ungeduldig auf den durch die Glocke eingeläuteten Angelus „Gottesdienst der Nationen“. Danach schloss ich mich der Menge an, die an diesem bemerkenswerten Abendgottesdienst, der in fünf Sprachen abgehalten wird, teilnahm. Am Ende dieses denkwürdigen Tages waren mir Titel und Struktur der anstehenden Komposition klar.
Angelus beginnt mit der Andeutung eines keltischen Gesangs, als dunkler Gruß aus alten Zeiten. Aus den Nebeln der weit zurückliegenden Vergangenheit erheben sich die ersten Schläge von Kirchenglocken, hier eine Nachahmung des frühen Morgenläutens der Peterskirche. Die Glocken benachbarter Kirchen stimmen ein. Sie werden von Vogelstimmen (Holzbläsern) begleitet. Die nachdrückliche Energie der schnell und kraftvoll verstreichenden Zeit wird im nächsten Abschnitt wiedergegeben, auf den ein einminütiger Halt am Marienplatz folgt. Das Glockenspiel im Rathaus spielt die Melodie Jetzt gang i ans Brünnele von Friedrich Silcher. Dann bewegen wir uns allmählich in das Angelusläuten der Frauenkirche hinein und in den dortigen Abendgottesdienst. Gegen Ende des Stückes hört man das letzte Glockengeläut des Tages, noch einmal von der Peterskirche. Als ich durch die Münchner Straßen zu meinem Hotel ging, klangen in meinem Innern folgende Worte nach: „Und ob ich des Herrn vergäße, so wird er doch meiner nicht vergessen.“
Denn vor 850 Jahren ertönte die Kirchenglocke im innersten Kern der späteren Stadt München zum ersten Mal, geschlagen von der Hand eines einsamen Mönches, und hat seither nie mehr aufgehört zu klingen.
Victoria Borisova-Ollas
(Übersetzung: Barbara Maurer)