Giacomo Meyerbeer
Fuga
Dauer: 4'
Solisten:
soprano
alto
tenor
bass
Fuga
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Werkeinführung
Der achtzehnjährige Komponist bekam im Jahr 1809 von seinem Berliner Lehrer, dem Königlichen Kapellmeister und Komponisten Bernhard Anselm Weber (1764-1821), die Aufgabe, sich kompositorisch mit der Gattung der Fuge zu beschäftigen. Meyerbeer komponierte daraufhin das vorliegende Werk, eine Vokalfuge zu einem Psalmvers in der Übersetzung von Moses Mendelssohn. Sein Lehrer sandte es daraufhin auch an seinen eigenen Lehrer Georg Josef Vogler (1749-1814), einem der führenden Musiktheoretiker der Zeit. Vogler war stark von der Fuge des Achtzehnjährigen beeindruckt, er benutzte das Werk sogar in seinem Buch „System für den Fugenbau als Einleitung zur harmonischen Gesang-Verbindungs-Lehre“ zur Demonstration seiner Lehren. Auf diese Weise kam Meyerbeer auch selbst in den Genuss des Unterrichts bei Vogler. Dort lernte er als Mit-Studenten Carl Maria von Weber kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte.
Bislang sind keine Belege für Aufführungen dieses Werkes im 19. Jahrhundert gefunden worden. Möglicherweise stand dem neben dem Status als „Schüler-Fuge“ ein Detail der Mendelssohn’schen Psalm-Übersetzung im Wege - dort wird das hebräische "Adonai Zewaot" (meist als „Herr der Heerscharen“ übersetzt) als „Herr des Weltalls“ wiedergegeben. Darin kann man ein Echo der Jüdischen Aufklärung erkennen, deren Zentrum Meyerbeers Heimatstadt Berlin war. Außerhalb von gebildeten und fortschrittlichen Millieus einiger großen Städte jedoch war der deutsche Kulturraum konservativ und antijüdisch eingestellt; das Mendelssohn-Wort „Herr des Weltalls“ dürfte als unziemlich empfunden worden sein, ganz besonders da der junge Komponist auch selbst Jude war.
Von Takt 74 bis 82 findet sich in der Gesangslinie des Basses ein notierter Orgelpunkt über dem Dominant-Ton A. Dieser Orgelton stützt die verwobenen Stimmen bis zum dominantischen Zwischenschluss in Takt 82, die Bewegungsenergie wird so wirkungsvoll aufgestaut. Die Frage stellt sich nach der intendierten musikalischen Umsetzung. Wahrscheinlich ist, dass die Orgel die Bassstimme oder sogar noch weitere Stimmen mitspielte, um den Gesang intonatorisch zu stützen. Dies entspricht einer heute noch üblichen Praxis - der Orgelpunkt ist so unproblematisch umzusetzen.
Entdeckt wurde das Originalmanuskript „Fuga von 1809“ 2021 vom Berliner Meyerbeer-Forscher Thomas Kliche in einem Sammelalbum des Violinvirtuosen und Dirigenten Andreas Romberg (1767-1821). Eine Ersteinspielung dieses Werkes liegt vor mit „Meyerbeer: vocal“ (BM319320). Dieses Werk galt als "verschollen".