Johannes Maria Staud
Par ici!
Kurz-Instrumentierung: 1 0 1 1 - 1 1 0 0 - Schl, Klav, Vl, Va, Vc, Kb
Dauer: 10'
Widmung: für Silvia
Instrumentierungsdetails:
Flöte (+Afl(G))
Klarinette in B
Fagott
Horn in F
Trompete in C
Schlagzeug
Klavier
Violine
Viola
Violoncello
Kontrabass
Staud - Par ici! für Ensemble
Übersetzung, Abdrucke und mehr
Johannes Maria Staud
Staud: Par ici!Instrumentierung: für Ensemble
Ausgabeart: Studienpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Johannes Maria Staud: Par ici! (Fassung 2012)
Das im Auftrag des Ensemble intercontemporain komponierte (und von diesem 2011 in Paris uraufgeführte) Ensemblestück Par ici! unterzog Johannes Maria Staud im Auftrag der Stiftung Mozarteum für die Mozartwoche 2013 einer Erweiterung und Revision. Eineinhalb Strophen aus Le Voyage [Die Reise, 1859] von Charles Baudelaire aus dessen Gedichtsammlung Les Fleurs du mal [Die Blumen des Bösen] stehen dem Werk als Motto voran:
„Nous nous embarquerons sur la mer des Ténèbres
Avec le cœur joyeux d’un jeune passager.
Entendez-vous ces voix, charmantes etfunèbres,
Qui chantent: ,Par ici vous qui voulez manger
Le Lotus parfumé! c’est ici qu’on vendange
Les fruits miraculeux dont votre cœur a faim;...’”
[So schiffen wir uns auf dem Meer der Finsternis ein
Mit dem freudigen Herz eines jungen Passagiers.
Hört ihr diese Stimmen, die so düster lockend singen:
„Hierher! die ihr den süßduftenden Lotus essen wollt!
Hier erntet man die Wunderfrüchte,
nach denen eure Herzen hungern;...”].
„Die besondere Schönheit so vieler Beaudelairscher Gedichtanfänge ist: das Auftauchen aus dem Abgrunde“ (Walter Benjamin). Man muss sich in diese Verse einhören, auch in die Sanftheit ihres Ausklingens. Johannes Maria Staud hörte den lockenden Stimmen Beaudelaires und dessen„poésie violente“, die auch „von Momenten der Intimität und Zerbrechlichkeit“ durchsetzt ist, in Par ici! sowie dem 2011/12 entstandenen Monodram Le Voyage (für Schauspieler, 6-stimmiges Vokalensemble, vier Instrumente und Elektronik; UA Paris 2012) nach.
Stauds musikalische Landkarte ist durch minutiöse Notationen zum Klanglichen geprägt, dem auch Angaben zur Spielhaltung und detaillierte spieltechnische Erläuterungen folgen. Die Partitur von Par ici! durch ständig wechselnde Tempo- bzw. Taktrelationen geprägt, die „mit dem Kalkül notiert“ sind, den Interpreten „dadurch zu einem anderen Gestus im Spielen zu bringen“ (Daniel Ender).
Die intensive Beschäftigung mit Mikrotonalität und der harmonischen Wirkung von Umstimmung, die am Pariser Forschungsinstitut IRCAM angeregt wurde, führte zu einem „Aufbruch in eine harmonische Welt“, die Staud „so zuvor noch nicht beschritten“ hat. Die Besetzung in Par ici! sieht unter anderem ein Klavier vor, bei dem insgesamt 12 Töne mikrotonal, um einen Viertelton nach oben verstimmt sind. Alternativ kann es auch durch ein MIDI-Klavier ersetzt werden, das am IRCAM durch Robin Meier für dieses Werk spezifisch programmiert wurde. Inspirierend hierbei war die Art von Klavierverstimmung aus Gérard Griseys Vortex temporum. Mikrotonale Umstimmungen gelten „während des ganzen Stückes mit Ausnahme von Vibraphon und Glockenspiel auch für alle anderen Instrumente“. Reizvoll für den Komponisten ist in diesem Zusammenhang, wie etwa Akkordraster je nach Transposition zu verschiedenartigen Klangergebnissen führen können. „Verstimmte Töne werden nicht wie ‚Fehler‘ wahrgenommen, sondern als Bestandteil einer mikrotonalen Auffassung von Harmonie.“ (Johannes Maria Staud)
Par ici! beginnt mit einem notierten Innehalten „bis absolute Ruhe eingekehrt ist“, ehe Das Ensemble in feinst nuancierten Abstufungen des Leisen „zart und verlockend“ einsetzt. Das zweiteilige Stück ist durch eine Reihe von Binnenabschnitten gefügt, deren Taktverhältnisse gegenüber der Urfassung des Werkes (dessen 1. Teil, A–J, weitgehend aus 5-taktigen Abschnitten gefügt war), in der revidierten und erweiterten Neufassung weniger symmetrisch angelegt sind. Der 2. Teil weist zwei Gliederungsebenen auf: jene der Binnenabschnitte (K–Z) sowie jene der Spielhaltung, die zunächst zwischen „wild und aufbrausend“ sowie „klangvoll und innehaltend“ alterniert, ehe das Werk nach einer „hart und kompromisslosen“ Episode taktsymmetrisch „geisterhaft, den Ereignissen nachlauschend“ verklingt.
© Therese Muxeneder, 2012