

Jay Schwartz
Quaerendo invenietis – Music for Orchestra V
Kurz-Instrumentierung: Vln.I(14), Vln.II(12), Vla(12), Vc(10), Kb(5-saitig)(8)
Dauer: 16'
Instrumentierungsdetails:
Violine I(14)
Violine II(12)
Viola(12)
Violoncello(10)
Kontrabass(8)
Schwartz - Quaerendo invenietis – Music for Orchestra V für Streichorchester
Gedruckt/Digital
Übersetzung, Abdrucke und mehr

Instrumentierung: für Streichorchester
Ausgabeart: Studienpartitur (Sonderanfertigung)

Instrumentierung: für Streichorchester
Ausgabeart: Dirigierpartitur
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Hörbeispiel
Werkeinführung
Der Titel bezieht sich auf Bachs Bezeichnung der letzten beiden Kanons aus dem Musikalischen Opfer. Bach zitiert wiederum Matthäus 7,7 (quaerendo invenietis oder suchet, so werdet ihr finden) und appliziert dies auf die Verrätselung der musikalischen Ausführung der zwei Kanons, die natürlich auf dem Thema regius Friedrichs II. basieren.
Man kann nur spekulieren, ob sich Bach von seiner bekannten Faszination für Zahlensymbolik hat leiten lassen, als er Friedrich dem Großen am 7.7.1747 die vollendete Partitur seines Musikalischen Opfers dedizierte, zu dem er am 7.5. desselben Jahres bei seinem Besuch in Sans-Souci von Friedrich angeregt worden war. Wie der Zufall es will, ist der 7. Mai nun auch das Datum der Uraufführung von Quaerendo invenietis – Music for Orchestra V.
Meine Komposition verwendet das Thema regius, wobei es sich ganz und gar nicht um eine Orchestrierung oder Transkription des Materials aus dem Musikalischen Opfer handelt (wie etwa bei Weberns Ricercare, das dasselbe Material verwendet und eine Inspirationsquelle für meine Vorarbeiten war, da es ursprünglich auch auf dem Programm des Konzertabends stehen sollte). Vielmehr wollte ich gewisse inhärente Merkmale dieser Musik in meine eigene Hörweise von Musik übersetzen, insbesondere hinsichtlich des Parameters der Tonhöhe.
Während die Abendländische Musik zwölf distinkte Tonhöhen voraussetzt, stelle ich mir selbst eine Musik vor, die stufenlos zwischen den Tönen gleitet, gleichsam eine analoge Kurve anstelle einer digitalen Komprimierung. Die vermeintliche Freiheit der Töne, um die es den Serialisten ging, im Sinne einer hierarchielosen Gleichheit aller Töne, ob in den frühen Stadien von Schoenberg oder in den Zeiten der Nachkriegsgeneration von Stockhausen und Boulez, ist meiner Meinung nach eine Scheinfreiheit gewesen, solange dieselben zwölf Töne wie vorher den Tonvorrat diktieren. Auch jede Mikrotonalität gönnt nur dem Vorrat der Zwölf einige zusätzliche feste Stufen, die nicht weniger diastematisch fixiert sind. Für mich wird das tradierte System erst dann wahrhaftig erweitert, wenn die Töne von festen, statischen Tonhöhendiktaten befreit werden.
Der gleitende Ton stellt das dynamische Gegenteil eines statischen Stufensystems dar. Gleichzeitig aber können gerade durch das Verfahren des gleitenden Tons, also durch den Verzicht auf das statische Stufensystem, inhärente Phänomene der Harmonie stärker hervorgetrieben und in ein neues Licht gesetzt werden. Man kann das an dem folgenden einfachen Beispiel verdeutlichen: Zwei gleichzeitig gehaltene Töne klingen im Abstand einer Oktave. Der obere Ton gleitet langsam abwärts, stufenlos, und nähert sich dem unteren. Eine unendliche Zahl von Intervallverhältnissen wird zwischen den zwei Linien durchlaufen. Das Ohr aber hört nicht nur eine lineare Bewegung des oberen Tons. Vielmehr wird an gewissen Punkten eine offenbar stärkere Beziehung zwischen den beiden Linien spürbar als an anderen Punkten, so dass sich eine Art Kurve mit exponentiellen Eigenschaften zeichnen ließe: Je mehr sich die absteigende Linie gewissen Knotenpunkten nähert, desto höher wächst eine Spannungskurve, um dann, nach Passieren eines solchen Punktes, in eine Entspannungskurve umzuschlagen. Und je näher die obere Linie dem unteren Ton kommt, desto stärker und intensiver wird die Spannung, bis sich beide Töne im Unisono vereinen. Spannung und Entspannung – die elementarsten Bausteine abendländischer Gestaltung von Klang in der Dimension Zeit.
Die psychoakustische Wirkung von spezifischen musikalischen Intervallen ist bisher weder von der wissenschaftlichen Akustik noch von der ästhetischen Theorie zufriedenstellend erörtert worden. Das Spektrum reicht von Hypothesen über die physiologische Wahrnehmung von aus der Obertonreihe abgeleiteten Schwingungsverhältnissen bis hin zu Verdikten, dass das Subjektive oder das Emotionale nicht zu den legitimen Kategorien gehöre, die für eine rationale Kompositionskunst relevant seien. Es scheint mir aber doch unzweifelhaft, dass das akustische Wahrnehmungsvermögen durch Instinkte geleitet ist, die ich nicht nur in meinen Kompositionen nicht ignorieren will, sondern die es geradezu sensualistisch auszukosten gilt.
Mit diesen Ohren habe ich das musikalische Thema, die „Melodie” des Bachschen Opfers gehört und im Zeichen von: suchet, so werdet ihr finden transponiert in ein stufenloses, gleitendes Gebilde aus dynamischen Kurven, die die Töne der aufsteigenden Melodie – c, es, g, as, h – als Knotenpunkte zwischen gleitenden Linien hervor- und emporwachsen lassen.
Dem Quaerendo invenietis geht bei Matthäus 7,7 übrigens unmittelbar voraus: Petite, et dabitur vobis, oder Ask, and it shall be given you, womit der Zufall wiederum den Weg gewiesen hätte zu Charles Ives: The Unanswered Question!