Giacomo Meyerbeer
Vier geistliche Lieder aus Alexisbad
Dauer: 10'
Solisten:
piano
high voice
Vier geistliche Lieder aus Alexisbad
Übersetzung, Abdrucke und mehr
Giacomo Meyerbeer
Hohe Stimme (Vier geistliche Lieder aus Alexisbad) Digital verfügbarAusgabeart: Solostimme(n)
Giacomo Meyerbeer
Vier geistliche Lieder aus Alexisbad Digital verfügbarAusgabeart: Noten
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Werkeinführung
Giacomo Meyerbeers vergessene Schätze
Eine Edition von Musikern für Musiker
Leitung: Andrea Chudak
Vier geistliche Lieder aus Alexisbad
Am 24. September 1841 traf Giacomo Meyerbeer in Alexisbad (Harz) ein. Wie aus seinen Tagebüchern hervorgeht, war in diesem Zeitraum in Berlin ein Konzert zu Ehren der Komponisten Felix Mendelssohn und ihm geplant. Da Meyerbeer „Ehren“-Veranstaltungen dieser Art nicht leiden konnte und nach Möglichkeit mied, „flüchtete“ er kurzerhand in den Kurort Alexisbad, um dort seine angeschlagene Gesundheit zu kurieren und zu arbeiten. Dabei widmete er sich neben dem Opernschaffen auch der Komposition von geistlichen Liedern. Obwohl sie nicht unbedingt als Zyklus konzipiert waren, fassen wir in der vorliegenden Ausgabe vier davon als „Vier geistliche Lieder aus Alexisbad“ zusammen. Ein fünftes Lied ist bedauerlicher Weise noch immer verschollen - sollte es zukünftig aufgefunden werden, werden wir es in einer Neuausgabe berücksichtigen.
Das „Sonntagslied“ komponierte Meyerbeer nach einem Gedicht von Hermann Kletke (1813-1886) am 26. September 1841 (tatsächlich an einem Sonntag, übrigens einen Tag nach dem höchsten Jüdischen Feiertag Jom Kippur). Im Tagebuch wird auch auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass hier für das Komponieren im Zimmer kein Klavier zur Verfügung stand. Am Dienstag, den 28.09.1841 schuf er die Lieder „Gebet am Donnerstag Morgen“ nach einem Text von Henriette Gottschalk (1774-1809) und „Alles in einem“ (Text von Albert Knapp) - bei letzterem Werk handelt es sich um das leider noch verschollene. Am 2. Oktober entstand dann „Gottesergebenheit“ nach dem Text von Siegfried August Mahlmann (1771-1826), ein Tag später die „Luft von Morgen“ nach einem Text von Albert Knapp (1798-1864).
Die „Luft von Morgen“ erschien in einem musikalischen Album in Leipzig. Das „Gebet am Donnerstag Morgen“ und „Gottergebenheit“ wurden in einer Beilage der „Wiener musikalischen Zeitung“ veröffentlicht, wobei das erste der beiden Lieder zunächst mit dem Titel „Geistliches Lied“, später auch mit „Reue“ belegt wurde - was dazu führte, dass von den Meyerbeerforschenden im 20. Jahrhundert zwar die Lieder wiedergefunden, aber nicht zugeordnet werden konnten und das Lied mit dem Titel „Gebet am Donnerstag Morgen“ bis 2022 noch als verschollen galt. Die Erstdrucke von „Sonntagslied“ und „Alles in einem“ sind unklar.
Die Quellen für die vorliegende Ausgabe sind verschiedene, auch spätere, miteinander abgeglichene Drucke.
Interessant am Meyerbeer‘schen Konzept dieser geistlichen Lieder ist, dass sich darin relativ unspezifische, religionsübergreifende Thematiken spiegeln wie „Gottergebenheit“, Geborgensein im Gebet und existentieller Hinwendung zu Gott und Schöpfung. Im „Reue“-Text des „Gebets am Donnerstag“ findet sich womöglich gar ein Echo des religiösen Jom-Kippur-Motivs von Reue und Umkehr, immerhin lag der höchste Jüdische Feiertag bei der Komposition nur wenige Tage zurück. Beim „Sonntagslied“ könnte man darüber spekulieren, ob hier auch Andeutungen von Jüdischer Schabbath-Heiligkeit enthalten sein könnten, das Motiv des Engels könnte das auch unterstützen, wenn auch nicht sehr spezifisch. Im Motiv der „Himmelsluft“ in „Luft von Morgen“ meint man ein wenig die Nähe zu pantheistischen Haltungen zu spüren, wie es etwa auch in der Lyrik von Johann Wolfgang von Goethe anzutreffen ist (in Jüdischen Kreisen damals hoch geachtet). Klar ist, dass Meyerbeer als aufgeklärter Jude und Freigeist hier im Rahmen einer allgemeinmenschlichen Haltung allgemeingültige Aussagen schafft jenseits von Konfessionen – und das in einer einzigartigen, persönlichen Gefühlssprache.