Präsentation des neuen Wozzeck-Bandes
Die Ära Alfred Schlee
Alfred Schlee (1901-1999)
Mit dem Bekenntnis zur Moderne hatte die Universal Edition zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Grundstein für einen zukunftsfähigen Verlag gelegt, der zur künstlerischen Heimat für die großen Namen einer neu anbrechenden Epoche der Musikgeschichte wurde. Man kann es nur als Glücksfall bezeichnen, dass Alfred Schlee bald darauf ebenso instinktsicher die Geschäfte weiterführte.
Schlee arbeitete von 1938 an, dem Jahr des „Anschlusses“ Österreichs an Hitler-Deutschland, ausschließlich in Wien. In der Zeit der Nazi-Diktatur versteckte Schlee Partituren u. a. in Kirchen und in seinem Haus am Semmering oder brachte sie ins sichere Ausland. Er schuf mit diesen Aktivitäten die Voraussetzungen dafür, dass es nach 1945 spielbares Material jener Komponisten gab, die heute als Klassiker der Moderne gelten. „Ich habe in erster Linie nicht an den Augenblick gedacht, sondern an die Zukunft, sie stand immer im Vordergrund der Überlegungen“, erinnerte er sich: „Wenn man keine Angst hatte, konnte man später auch bei den Russen vieles erreichen, und so ist es – mit Hilfe vieler Freunde - gelungen, den Bestand des Verlages in Wien zu erhalten und für den Tag der Befreiung die Wiederaufnahme einer unbehinderten Tätigkeit vorzubereiten.“
Noch während der Kriegsjahre hielt Schlee Kontakt mit Rolf Liebermann und Frank Martin und versprach ihnen eine Aufnahme in den Verlag, „wenn die Schweinerei hier zu Ende ist“. Ab 1951 bildete Schlee mit Alfred Kalmus und Ernst Hartmann den Verlagsvorstand.
„Ansichtskarten der Utopie“
So wie Hertzka den Großen seiner Zeit nicht nur verlässlicher Partner, sondern auch Freund war, genoss Schlee auch die uneingeschränkte Anerkennung der Komponisten. Von Beginn an hatte Schlee die persönliche Betreuung von Boulez übernommen und lud ihn auf eine Hütte in die Alpen ein. Doch leider war überall Nebel und man sah nichts. Da erwarb Schlee eine Postkarte und schenkte sie Boulez: „So sieht es hier normaler Weise aus.“ Boulez erinnerte sich später an diese Episode mit den Worten: „Schlee hat immer die Ansichtskarte der Utopie gekauft.“
Als Arvo Pärt aus der Sowjetunion vertrieben wurde, war es Schlee, der ihn in Wien aufnahm und den damals noch kaum bekannten Komponisten unter Vertrag nahm. Auch Wolfgang Rihm machte Schlee nach einer Uraufführung in Donaueschingen persönlich ein Angebot. Schlee vereinte Kunstverstand, wirtschaftliche Kompetenz und menschliche Integrität auf die bestmögliche Weise.